Gefaehrliche Tiefen

gehabt hatten.
Für dich passt das vielleicht mit so einer Fernbeziehung,
schrieb er,
aber ich sehne mich nach jemandem, der jeden Tag da ist.
    Würde Blake ausziehen? Oder würde sie vielleicht einen zweiten Mitbewohner bekommen? Das wäre eventuell ein bisschen seltsam – wie das fünfte Rad am Wagen, und das im eigenen Haus.
    Passte ihr das wirklich, einen Freund zu haben, der nur so selten auftauchte? Neunzig Prozent der Zeit war Chase nicht einmal erreichbar. Würde ihre gemeinsame Woche sie einander näherbringen? Er würde herausfinden, dass sie wirklich nicht kochen konnte und auch kein Interesse hatte, es zu lernen. Und sie würde vielleicht herausfinden müssen, dass er keine Bücher las und dauernd vor dem Fernseher hing und sich Sportsendungen ansah. Normalerweise drehten sich ihre Gespräche um das, was jeder von ihnen in der Zwischenzeit erlebt hatte. Worüber sollten sie bloß reden, wenn sie Morgen für Morgen nebeneinander wach wurden? Wie hatte er sie bloß fragen können, ob sie zu ihm ziehen würde?
    Es klopfte an ihrer Tür. »Wein, Oberdeck, fünf Minuten«, sagte Dan.
    Â»Oder Bier«, fügte einer der Studenten hinzu. »Komm rauf.«
    Â»Sonst wirst du es bereuen«, ergänzte der andere.
    Sam fuhr ihren Computer herunter und folgte ihnen nach oben. Sie ließ sich in einen der Liegestühle sinken, genoss die milde Nachtluft und bewunderte die ungewohnte Anordnung der Sterne hier im Süden. Ihr feuchtes Zuhause in der Nähe der kanadischen Grenze schien erfreulich weit weg.

8
    Am nächsten Morgen sah sich Sam vor dem Frühstück ihre Berichte auf
Out Theres
Homepage an. Die Herausgeber hatten Wilderness Westins Videos mit einem rhythmischen Instrumentalstück unterlegt, das die tänzelnden Vögel, die nickenden Leguane und die verärgerten Seelöwenhalbstarken wie Teilnehmer eines Tanzwettbewerbs aussehen ließ. Etwa zehn Kommentare waren dazu eingegangen, die meisten von Fans, die ihr Hallo sagen wollten und ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sie bei diesem Auftrag nicht von wilden Tieren oder irgendwelchen Irren angegriffen wurde.
    Jede Wette
, dachte sie. Ohne ihr Zutun hatten die Ereignisse ihr den Ruf einer Draufgängerin eingebracht. Jetzt machte sie sich Sorgen, dass ihre Chefs sie für zu langweilig hielten, wenn nicht irgendetwas Schreckliches passierte.
    SanDman schrieb:
Ich bin sicher, dass du wieder in Schwierigkeiten gerätst.
Wer zum Teufel war das? Zwei Leser fragten, wie es sei, mit Zing zusammenzuarbeiten. Sam formulierte ihre Antwort sehr allgemein, beschrieb, wie überwältigend das Aufwachen morgens in den Tropen war und dass sie es kaum erwarten konnte, mehr von den Inseln zu sehen. Dann fügte sie hinzu:
Zing ist ein echter Profi.
    Anschließend wandte sie sich Zings Bericht zu. Das Hai-Video hatten die Herausgeber mit der passenden, bedrohlich klingenden Musik unterlegt. Als Seitenhintergrund diente die Vergrößerung eines ihrer Unterwasserfotos. Zing hatte mehr als fünfzig Kommentare erhalten. Die meisten drückten Entsetzen über die Haiverstümmelung aus, und einige fragten, ob sie beim Drehen dieser Szenen keine Angst gehabt habe. Drei der Zuschriften waren allerdings ausgesprochen feindselig.
    Das ist nicht dein Land! Hau ab in dein eigenes blödes Land! –
Payor 155
    Unser Fisch, unser Geschäft. Du beobachtest uns, wir beobachten dich. Du schädigst uns, vielleicht … –
DomiMan
    Puta americana! No sabes nada de eso! Idiota!
– MarB9844
    Herrje. Dass die beiden ersten durch den Filter gerutscht waren, überraschte sie. Die dritte hätte sie mithilfe ihres Lexikons oder eines Computerübersetzungsprogramms entziffern können, aber sie war sich nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte. Die Ausrufezeichen sprachen Bände, und das Wort
idiota
verstand sie auch so. Key Corporation hatte ihr, ohne das zu beabsichtigen, einen Gefallen damit getan, dass sie ihren Bericht unter Pseudonym schrieb. Sie tippte eine kurze, an alle gerichtete Antwort:
Danke für eure Kommentare. Rund um die Galapagosinseln zu tauchen ist aufregend. Ich bin stolz, die
NPF
bei ihrer wichtigen Untersuchung hier unterstützen zu können.
    Anschließend rief sie ihr privates E-Mail-Konto auf. Sie hatte nur eine Nachricht von Tad Wyatt.
    Zing – fantastischer Bericht. Wird offensichtlich kontrovers diskutiert. Exzellente Arbeit!
    Westin