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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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schon mehr auf Lager haben.«
    Evan zuckte mit den Achseln. »Ich gehe morgen wieder hin, aber ich weiß wirklich nicht, was ich noch fragen soll.«
    Monk stöberte Septimus am nächsten Mittag in seiner Lieblingsschenke auf. Das kleine, freundliche Lokal lag ganz in der Nähe der Strand und war dafür bekannt, daß die Kundschaft hauptsächlich aus Schauspielern und Jurastudenten bestand. Junge Männer standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich lebhaft, während sie wild gestikulierten, wobei unmöglich zu unterscheiden war, ob die Vorstellung für ein Theater oder einen Gerichtssaal gedacht war. Es roch nach Sägespänen und Bier, wozu sich zu dieser Tageszeit noch ein angenehmer Duft nach gedünstetem Gemüse, Bratensaft und Kuchen gesellte.
    Monk war erst wenige Minuten dort und hatte sich bereits einen Krug Apfelwein besorgt, als er Septimus erblickte. Er saß allein auf einer mit Lederpolstern ausgestatteten Bank in einer Ecke und trank. Monk schlenderte zu ihm und ließ sich ihm gegenüber nieder.
    »Guten Tag, Inspektor.« Septimus stellte seinen Krug ab. Es dauerte einen Moment, bis Monk klar wurde, wie er ihn hatte sehen können, obwohl ihm das Trinkgefäß die Sicht versperrte Der Boden des Krugs bestand aus Glas. Dieser Brauch stammte aus längst vergangenen Zeiten, als die Männer noch Schwerter trugen und Wirtshaus Schlägereien, die in erster Linie dem Training dienten, an der Tagesordnung waren. Der durchsichtige Boden sollte verhindern, daß der arglose Gast eine unliebsame Überraschung erlebte.
    »Guten Tag, Mr. Thirsk«, erwiderte Monk und bewunderte das Behältnis ausgiebig; in den Deckel war Septimus' Name eingraviert.
    »Ich kann Ihnen nicht mehr sagen«, meinte Septimus mit winzigem, traurigem Lächeln. »Wenn ich wüßte, wer Tavie umgebracht hat, oder auch nur die leiseste Ahnung hätte, warum, wäre ich längst zu Ihnen gekommen. Sie hätten sich die Mühe sparen können, mir hierher zu folgen.«
    Monk nippte an seinem Apfelwein.
    »Ich bin hier, weil ich mir dachte, wir könnten uns an diesem Ort ungestörter unterhalten als in der Queen Anne Street.«
    In Septimus' ausgewaschenen blauen Augen blitzte es humorvoll auf. »Sie meinen, ohne daß Basil mich auf meine Verpflichtung, diskret zu sein und mich wie ein Gentleman zu benehmen, hinweist, obwohl ich mir letzteres gar nicht leisten kann - es sei denn, seine Gunst und Gnade lassen es ausnahmsweise einmal zu.«
    Monk wollte ihn nicht kränken, indem er die Bemerkung ignorierte. »Etwas in der Art, ja.« Sein Blick glitt zu einem jungen Mann mit nettem, Evans nicht unähnlichem Gesicht, der in gespielter Verzweiflung neben ihnen zusammengebrochen war, die Hände auf die Brust preßte und dann einen dramatischen Monolog vom Stapel ließ, der seinen Kameraden am Nebentisch galt. Selbst nach zwei oder drei Minuten war Monk nicht sicher, ob es sich bei ihm um einen emporstrebenden Schauspieler oder einen Möchtegernanwalt handelte, der eine Verteidigung probte. Er dachte flüchtig an Oliver Rathbone und stellte ihn sich amüsiert als unreifen Jüngling in einer Schenke wie dieser vor.
    »Ich kann hier keinen einzigen Soldaten entdecken«, stellte er fest. Er konzentrierte sich wieder auf Septimus.
    Septimus lächelte auf sein Bier hinab. »Man hat Ihnen also meine Geschichte erzählt.«
    »Mr. Cyprian«, gestand Monk. »Mit sehr viel Verständnis.«
    »Der schon.« Septimus schnitt eine Grimasse. »Wenn Sie Myles gefragt hätten, hätten Sie eine ganz andere Version zu hören bekommen; gemeiner, schmutziger, weniger schmeichelhaft für die holde Weiblichkeit. Und die gute Fenella …«, er nahm einen tiefen Schluck Bier, »… nun ja, ihre wäre vermutlich düsterer und dramatischer ausgefallen. Sie hätte die Tragik des Ganzen ins Groteske gezogen, die Liebe als rasende Leidenschaft diffamiert, alles in schreienden Farben dargestellt, so daß die echten Gefühle, der echte Schmerz darin untergegangen wären wie in dem bunten Licht von Bühnenscheinwerfern.«
    »Dennoch kommen Sie gern in ein Wirtshaus randvoll mit Schauspielern aller Kategorien«, erinnerte ihn Monk.
    Septimus' Blick wanderte über die Tische, bis er schließlich an einem etwa fünfunddreißigjährigen, dürren Mann in eigenartiger Aufmachung hängenblieb, dessen Züge unter der Maske schwungvollen Elans deutlich vom Verdruß angesichts zahlreicher enttäuschter Hoffnungen gezeichnet waren.
    »Es gefällt mir hier«, sagte er freundlich. »Ich mag diese Leute. Sie

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