Gefährliche Trauer
ich an, exakt das ist, worauf Sie hinauswollen? Unpünktlichkeit oder dreistes Benehmen würde von Phillips bestraft werden oder, sofern es das weibliche Personal betrifft, von der Haushälterin beziehungsweise der Köchin. Unehrlichkeit oder lockere Moral hätten die prompte Entlassung zur Folge, woraufhin Phillips sich um Ersatz kümmern müßte. Aber Sie sind mir bestimmt nicht bis nach Westminster gefolgt, um mir derart läppische Fragen zu stellen. Da hätten Sie sich ebensogut an den Butler oder sonst jemanden im Haus wenden können!«
»Ich kann nicht automatisch sämtlichen Hausbewohnern denselben Wahrhaftigkeitsgrad unterstellen, Sir«, fauchte Monk zurück. »Da einer von ihnen für Mrs. Hasletts Tod verantwortlich ist, sind die anderen möglicherweise parteiisch.«
Basil starrte ihn zornig an. Der Wind bemächtigte sich seiner Rockschöße und brachte sie zum Flattern. Um sich die Peinlichkeit zu ersparen, daß ihm der Zylinder vom Kopf gerissen würde, nahm er ihn vorsorglich ab.
»Welche Lüge, glauben Sie wohl, könnte man Ihnen schon auftischen und damit davonkommen?« fragte er mit beißendem Spott.
Monk ignorierte die Bemerkung.
»Haben Ihre Bediensteten persönliche Beziehungen zueinander, Sir?« erkundigte er sich statt dessen. »Lakaien und Hausmädchen zum Beispiel? Der Butler und eine der Zofen? Stiefelbursche und Küchenmagd?«
Basils Augen weiteten sich ungläubig.
»Großer Gott! Denken Sie wirklich, ich hätte die leiseste Ahnung - oder auch nur das geringste Interesse an den Romanzen meiner Dienstboten, Inspektor? Sie scheinen tatsächlich in einer vollkommen anderen Welt zu leben.«
Monk war außer sich vor Wut und versuchte gar nicht erst, seine Zunge im Zaum zu halten.
»Soll das heißen, es kümmert Sie nicht, ob Ihre Hausangestellten Liebschaften miteinander haben?« fragte er sarkastisch. »In Zweier oder Dreiergrüppchen oder was immer? Sie haben absolut recht, das ist eine vollkommen andere Welt. Die Mittelschicht setzt alles daran, so etwas zu unterbinden.«
Diese Beleidigung saß, und Sir Basil schien kurz davor, seinem Ärger durch eine Handgreiflichkeit Luft zu machen. Anscheinend war er sich jedoch bewußt, daß er sie selbst provoziert hatte, denn er mäßigte seine Antwort geringfügig. Sie klang lediglich verächtlich.
»Es fällt mir schwer zu glauben, daß Sie Ihre gegenwärtige Stellung beibehalten und gleichzeitig so dumm sein können, wie Sie vorgeben. Selbstverständlich würde ich Derartiges auf keinen Fall dulden und jeden Betroffenen auf der Stelle und ohne Empfehlungsschreiben entlassen.«
»Und falls etwas Derartiges tatsächlich stattgefunden haben sollte, wäre es da nicht möglich, daß Mrs. Haslett davon erfahren hat?« fragte Monk gelangweilt.
Es war erstaunlich, wie rasch sich Sir Basils Miene aufhellte; er ließ sich sogar zu der Andeutung eines Lächelns hinreißen.
»Ja, vermutlich schon.« Er klammerte sich regelrecht an den Gedanken. »Frauen haben einen sechsten Sinn für solche Dinge. Sie registrieren Vibrationen, die wir zu übersehen neigen. Liebschaften und die damit verbundenen Intrigen nehmen in ihrem Leben einen wesentlich größeren Platz ein.«
Monk hüllte sich in soviel Unschuld, wie er aufbringen konnte.
»Worum könnte es sich Ihrer Ansicht nach bei der Entdeckung gehandelt haben, die sie während ihres Ausflugs an jenem Nachmittag gemacht hat? Gibt es einen Dienstboten, den sie besonders unter ihre Fittiche genommen hatte?«
Basil war vorübergehend verwirrt. Er rang um eine Antwort, die zu allen bisherigen Erkenntnissen paßte.
»Ihre Zofe, nehme ich an - das ist ganz normal. Ansonsten wüßte ich niemanden«, sagte er vorsichtig. »Und wie es scheint, hat sie keinem erzählt, wo sie war.«
»Wieviel Freizeit hat das Personal? Außerhalb des Hauses, meine ich?«
»Einen halben Tag jede zweite Woche«, erwiderte Basil prompt. »Das ist so üblich.«
»Nicht gerade viel für eine Romanze«, bemerkte Monk trocken. »Der Gegenstand ihrer Entdeckung muß sich wohl eher in der Queen Anne Street abgespielt haben.«
Sir Basils Blick wurde hart. Gereizt schlug er auf seine wehenden Rockschöße.
»Falls Sie damit andeuten wollen, in meinem Haus hätte sich etwas sehr Ernstes ereignet, von dem ich nichts wußte - und immer noch nichts weiß -, ist Ihnen das gelungen, Inspektor. Wenn Sie genauso erfolgreich bei der Ausübung dessen sein könnten, was Ihr Beruf ist, und endlich herausfinden, worum es dabei ging, wären wir
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