Gefaehrliche Verstrickung
nicht erwachsen genug, um darin vielleicht auch einen Vorteil zu sehen, einen äußeren Umstand, der ihn stark gemacht hatte. Er verabscheute Armut - aber mehr als er je in der Lage sein würde auszudrücken, hasste er den Mann, der seine Mutter geschwängert und sie dann verlassen hatte. Seiner Meinung nach hatte seine Mutter etwas Besseres verdient. Und, bei Gott, er auch. Schon von frühester Jugend an hatte er seine flinken Finger und seinen klugen Verstand dazu benützt, sich und seiner Mutter das Leben sorgenfreier und angenehmer zu gestalten.
In seiner Hosentasche befanden sich ein mit Perlen und Brillanten besetztes Armband und die dazu passenden Ohrringe. Er war ein wenig enttäuscht gewesen, nachdem er den Schmuck mit seiner kleinen Lupe examiniert hatte. Die Brillanten waren nicht lupenrein, und der größte von ihnen hatte nicht einmal ein halbes Karat. Immerhin, die Perlen besaßen einen schönen Glanz, und er war sicher, dass ihm der Hehler in der Broad Street dafür einen guten Preis zahlen würde. Philip verstand es ebensogut zu handeln wie Schlösser zu knacken. Er wusste ganz genau, was die Klunker in seiner Tasche wert waren. Genug, um seiner Mutter zu Weihnachten einen neuen Mantel mit einem echten Pelzkragen zu kaufen und um darüber hinaus noch eine kleine Summe für seinen, wie er es nannte, Zukunftsfonds zurückzulegen.
Vor der Kinokasse des Faraday's hatte sich eine lange Warteschlange gebildet. Die Filmplakate kündigten Walt Disneys Cinderella an, daher bestand das Publikum hauptsächlich aus aufgeregten, quengelnden Kindern und den dazugehörigen genervten Müttern und Kindermädchen. Philip lächelte fröhlich, als er das Foyer betrat. Seine Mutter, so schätzte er, hatte diesen Film bestimmt schon ein dutzendmal gesehen. Nichts stimmte sie glücklicher als ein schönes Happy-End.
»Mum.« Er schlüpfte durch die schmale Tür des Kassenhäuschens und gab ihr einen Kuss auf die Wange. In der engen Glaskabine war es kaum wärmer als draußen auf der Straße. Er dachte an den roten Wollschal, den er in der Auslage bei Harrods gesehen hatte. Rot würde seiner Mutter fabelhaft stehen.
»Phil.« Wie immer trat ein Leuchten in ihre Augen, wenn Mary ihren Sohn ansah. Ein hübscher Junge mit seinem schmalen Schulbubengesicht und den goldblonden Haaren. Anders als vielen anderen Müttern versetzte es ihr keinen unangenehmen Schock, wenn sie in den Zügen ihres Sohnes den Mann wiedererkannte, den sie so innig, aber nur so kurze Zeit geliebt hatte. Philip gehörte ihr. Ihr ganz allein. Nie hatte er ihr auch nur einen Augenblick Schwierigkeiten gemacht, nicht einmal als Baby. Keine Sekunde ihres Lebens hatte sie es bedauert, ihn zur Welt gebracht zu haben, obwohl sie alleine dagestanden hatte, ohne Mann und ohne eigene Familie. Tatsächlich war es Mary damals nie in den Sinn gekommen, eines dieser muffigen, fleischfarben getünchten Hinterzimmer aufzusuchen, wo sich die Frauen von ihrem Problem befreien lassen konnten, bevor es zu einem wurde.
Philip machte ihr große Freude, schon vom ersten Tag ihrer Schwangerschaft an. Wenn sie überhaupt etwas bedauerte, dann, dass Philip den Vater, den er nie gesehen hatte, aus tiefster Seele hasste und ihn in jedem Mann, der ihm begegnete, zu finden versuchte.
»Deine Hände sind ja eiskalt«, sagte er zu ihr. »Du solltest Handschuhe anziehen.«
»Die nützen auch nicht viel.« Mary lächelte ein wenig, als sie die junge Frau vor ihrer Kasse ansah, die ihren Jungen am Schlafittchen gepackt hatte. Ihren Philip hatte sie nie so gängeln müssen. »So, mein Schatz. Amüsier dich gut bei dem Film«, hörte Mary die Frau sagen.
Sie arbeitet zu viel, dachte Philip. Zu schwer und zu viele Stunden für das bisschen Geld. Obwohl sie nicht gern über ihr Alter sprach, wusste er, dass sie gerade mal dreißig war. Und sehr hübsch. Die sanften, mädchenhaften Züge seiner Mutter erfüllten ihn mit Stolz. Mary Chamberlain konnte sich bestimmt nicht viel leisten, doch das wenige, das sie besaß, wählte sie mit Geschmack aus und einem sicheren Gefühl für die Farben, die ihr standen. Sie liebte es, in Mode- und Filmzeitschriften zu blättern und die Frisuren auszuprobieren, die gerade en vogue waren. Sie mochte vielleicht ihre Strümpfe ausbessern, doch Mary Chamberlain war alles andere als eine ungepflegte Frau.
Er wartete immer noch darauf, dass ihr ein neuer Mann begegnete und ihr ein neues, besseres Leben bieten würde. Wie er sich in dem kleinen, engen
Weitere Kostenlose Bücher