Gefaehrliche Verstrickung
Zeit verging. Abdu hatte diesem Interview damals zugestimmt, um die Gerüchte über ihre Ehe zum Schweigen zu bringen. Sie hätte nicht gedacht, dass sich ihre Tochter daran erinnern würde. Schließlich war sie zu der Zeit höchstens vier oder fünf Jahre alt gewesen. »Wie fandest du sie?«
»Ihre Aussprache war komisch, und sie redete viel zu schnell. Ihr Haar war ganz kurz geschnitten, wie bei einem Jungen, und sah aus wie Stroh. Außerdem war sie wütend, weil sie nur ein paar Fotos machen durfte und man ihr dann die Kamera weggenommen hat.« Phoebe hatte sich auf einer Marmorbank niedergelassen, und Adrianne begann wieder, Steinchen ins Wasser zu werfen. »Dann sagte sie noch, du seist die schönste und meistbeneidete Frau der Welt, und fragte, ob du einen Schleier trägst.«
»Du vergisst auch gar nichts, nicht wahr?« Phoebe erinnerte sich ebenfalls genau an das Gespräch und dass sie sich eine Geschichte ausgedacht hatte wegen des Schleiers, den sie angeblich nur trage, um ihren hellen Teint vor der Sonne und dem Staub zu schützen.
»Es hat mir gefallen, wie sie über dich sprach.« Adrianne erinnerte sich auch daran, dass ihre Mutter geweint hatte, als die Reporterin gegangen war. »Wird sie wiederkommen?«
»Mag sein, eines Tages vielleicht.« Aber Phoebe wusste nur zu gut, wie schnell Menschen vergessen. Es gab neue Gesichter und neue Namen in Hollywood, und Phoebe kannte sogar einige von ihnen, da Abdu es ihr gestattete, ab und zu Briefe zu empfangen. Faye Dunaway, Jane Fonda, Ann-Margret. Attraktive junge Schauspielerinnen/die ihre Zeichen setzten und den Platz einnahmen, der einst ihrer gewesen war.
Sie berührte ihr Gesicht, wissend, dass nun Falten ihre Augen säumten. Einst hatte ihr Gesicht von allen Titelblättern gestrahlt. Frauen hatten ihr Haar gefärbt, um es wie das ihre aussehen zu lassen. Man hatte sie mit der Monroe, der Gardner und der Loren verglichen. Später wurde sie nicht mehr mit anderen verglichen; sie war zum Maßstab für andere avanciert.
»Einmal hätte ich beinahe einen Oscar gewonnen. Das ist die höchste Auszeichnung für einen Schauspieler. Aber obwohl es nicht geklappt hatte, war es eine wunderschöne Party gewesen. Jedermann lachte, plauderte und schmiedete neue Pläne. Es war alles so ganz anders als in Nebraska. Dort habe ich gelebt, als ich so alt war wie du heute.«
»Da, wo es Schnee gibt?«
»Ja.« Phoebe lächelte und breitete ihre Arme aus. »Ja, wo es Schnee gibt. Ich lebte dort bei meinen Großeltern, weil mein Vater und meine Mutter gestorben waren. Ich war sehr, sehr glücklich dort, obwohl es mir damals nicht immer bewusst war. Ich wollte Schauspielerin werden, wunderschöne Kleider tragen und von allen Menschen geliebt werden.«
»Also bist du ein Filmstar geworden.«
»Ja, das wurde ich.« Phoebe rieb ihre Wange an Adriannes Haar. »Mir kommt es vor, als sei dies alles schon hundert Jahre her. In Kalifornien schneite es nicht, dafür hatte ich dort das Meer. Kalifornien war für mich wie ein Märchen, und ich war die Prinzessin, von der ich in meinen Märchenbüchern gelesen hatte. Es war harte Arbeit gewesen, aber ich liebte das Leben dort über alles. Ich hatte ein Haus am Meer, ganz für mich allein.«
»Da muss t du aber einsam gewesen sein.«
»Nein, mein Schatz, ich hatte viele Freunde und Bekannte, mit denen ich plaudern konnte. Ich reiste an Orte, die ich mir nie hätte träumen lassen - Paris, New York, London... In London habe ich deinen Vater kennengelernt.«
»Wo ist London?«
»In England, in Europa. Du vergißt wohl, was du im Unterricht gelernt hast.«
»Ich mag den Unterricht nicht. Ich mag lieber Geschichten hören.« Trotzdem dachte sie scharf nach, denn sie wusste , wie wichtig Phoebe den Unterricht nahm, der auch ein Geheimnis zwischen ihnen beiden war. »Hm, in London lebt eine Königin, deren Gemahl nur ein Prinz ist.« Adrianne wartete, sicher, dass ihre Mutter sie diesmal korrigieren würde. Es war eine ganz komische Vorstellung für sie - eine Frau, die das Land regiert. Aber Phoebe lächelte nur leicht und nickte. »Es ist kalt in London, und es regnet oft. In Jaquir scheint immer die Sonne.«
»London ist eine wunderbare Stadt.« Phoebe besaß die Fähigkeit, sich im Geiste an irgendeinen Ort zu versetzen, einen realen oder imaginären, und tatsächlich alles dort deutlich sehen zu können. »Ich glaube, London ist die schönste Stadt, die ich jemals gesehen habe. Wir haben dort einen Film gedreht, und die
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