Gefaehrliche Verstrickung
durften. Umarmungen wurden ausgetauscht, Küsse und Gelächter. Phoebe stand da in ihrer abaaya, selbstverständlich verschleiert, die Hände ineinander verknotet, die Miene unbeweglich. Die Gerüche, die schweren, dunklen Gerüche des Harems lasteten so auf ihr, dass sie glaubte, sie wirklich zu sehen. Wenn es einen Gott gab, würde sie diese Frauen oder diesen Ort niemals wiedersehen. In diesem Augenblick war sie dankbar für den Schleier und den Schal. So muss te sie nur noch ihre Augen unter Kontrolle halten.
Eine Woge des Bedauerns brach überraschend über sie herein, als sie ihre Schwägerinnen, ihre Schwiegermutter und die angeheirateten Cousinen zum Abschied küßte. All die Frauen, mit denen sie beinahe ein Jahrzehnt lang zusammengelebt hatte.
»Adrianne muss am Fenster sitzen«, sagte Jiddah zu Phoebe, als sie beide küßte und umarmte. »Dann kann sie beim Start über ganz Jaquir schauen.« Sie lächelte, erfreut, dass ihr Sohn letztlich doch noch Interesse an seiner Tochter zeigte, die ihr heimlicher Liebling war. »Iß nicht zuviel Schlagsahne, mein kleines Schleckermäulchen.«
Adrianne grinste und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihrer Großmutter einen letzten Abschieds Kuss zu geben. »Ich werde so viel essen, bis ich kugelrund bin. Du wirst mich nicht wiedererkennen, wenn ich zurückkomme.«
Jiddah lachte und tätschelte Adriannes Wange mit ihrer kunstvoll mit Henna bemalten Hand. »Ich werde dich immer erkennen. So, nun geh schon. Und komm wohlbehalten zurück, lnshallah.«
Sie verließen den Harem, gingen durch den Garten zu einem Tor, vor dem ein Wagen auf sie wartete. Adrianne war viel zu aufgeregt, um das Schweigen ihrer Mutter wahrzunehmen. Sie plapperte fröhlich über den Flug, über Paris, darüber, was sie sehen und einkaufen würden. Sie stellte eine Frage nach der anderen, ohne eine Antwort darauf abzuwarten.
Als sie endlich am Flughafen ankamen, war Adrianne krank vor Aufregung und Phoebe krank vor Angst.
Das Kommen und Gehen der Geschäftsleute aus dem Westen hatte die Ein- und Ausreiseformalitäten nur noch verschärft. Flugzeuge starteten und landeten viel öfter als früher, doch der Weitertransport auf dem Boden beschränkte sich auf wenige, enge Taxis, deren Fahrer kein Wort Englisch sprachen. Das kleine Abfluggebäude war restlos überfüllt; Frauen drängten zu einem Ausgang, die Männer zu dem anderen. Gestreßte Amerikaner und Europäer versuchten, ihr Gepäck im Auge zu behalten, das übereifrige Gepäckträger von hier nach da schleppten, während sie sich verzweifelt um Anschlußflüge bemühten, die oft tagelang Verspätung hatten. Oftmals saßen diese Zaren des Kapitalismus dort fest, gefangen in einer kulturellen Kluft, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer Schlucht ausgewachsen hatte.
Die Luft vibrierte unter dem Dröhnen der Flugzeuge, der Kakophonie verschiedenartiger Sprachfetzen, die oft genug nicht verstanden wurden. Adrianne sah eine Frau neben einem riesigen Gepäckhaufen sitzen, ihr Gesicht feucht von Tränen und blaß vor Erschöpfung. Eine andere versuchte, ihre drei kleinen Kinder in Zaum zu halten, die die arabischen Frauen in ihren schwarzen Gewändern und Schleiern anstarrten und mit den Fingern auf sie zeigten.
»Das sind ja so viele!« murmelte Adrianne, als sie von ihren Leibwächtern durch die Menge geleitet wurden. »Weshalb kommen die denn alle hierher?«
»Wegen des Geldes.« Phoebe ließ ihre Augen von rechts nach links wandern. Es war heiß, so heiß, dass sie glaubte, in Ohnmacht zu fallen. Nur ihre Hände waren eiskalt. »Beeil dich.«
Sie nahm Adriannes Hand und zog sie nach draußen. Ab- dus silbern glänzendes, erst kürzlich mit Öl-Dollars bezahltes Privatflugzeug wartete.
Adriannes Mund wurde bei dessen Anblick ganz trocken. »Das ist aber winzig.«
»Keine Angst, ich bin doch bei dir.«
Das Innere der Kabine war sehr luxuriös ausgestattet. Die silbergrau bezogenen Sitze waren bequem gepolstert, der Boden mit einem blutroten Teppich ausgelegt. Die kleinen Lämpchen, die an jedem Sitz angebracht waren, trugen Kristallschirme. Die angenehm kühle Luft duftete nach Sandelholz, dem Lieblingsduft des Königs. Diener, die sich schweigend verbeugten, warteten darauf, ihnen Speisen und Getränke anzubieten.
Abdu war bereits an Bord und saß mit seinem Sekretär über einem Stapel Geschäftspapiere. Seine throbe hatte er mit einem in London geschneiderten Maßanzug vertauscht, trug dazu jedoch die arabische
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