Gefaehrliche Verstrickung
Kopfbedeckung. Er blickte nicht auf, als sie einstiegen und ihre Sitze einnahmen, sondern gab nur einem seiner Männer ein kleines Zeichen. Binnen Sekunden heulten die Motoren auf. Adriannes Magen tat einen kleinen Satz, als die Maschine vom Boden abhob.
»Mama.«
»Bald fliegen wir über den Wolken.« Phoebe sprach leise, dankbar dafür, dass Abdu von ihnen keine Notiz nahm. »Wie die Vögel, Addy. Sieh nur.« Sie berührte Adriannes Wange mit der ihren. »Jaquir wird immer kleiner.«
Adrianne hatte das Bedürfnis, sich zu übergeben, traute sich aber nicht wegen ihres Vaters. Entschlossen biß sie die Zähne zusammen, schluckte tapfer und beobachtete, wie die Erde unter ihnen verschwand. Nach einer Weile beruhigte sich ihr Magen. Nun war es Phoebe, die unentwegt plauderte. Ihre leise Stimme lullte Adrianne bald in einen erholsamen Schlaf. Während ihre Tochter an ihrer Schulter döste, starrte Phoebe auf die blauen Wellen des Mittelmeers und betete.
Paris war eine Augenweide. Adrianne klammerte sich an der Hand ihrer Mutter fest, als sie durch den Flughafen eilten. Sie hatte immer geglaubt, die Geschichten ihrer Mutter über andere Städte seien nichts weiter als Märchen. Als solche hatte sie sie geliebt und von ihnen geträumt. Nun war sie durch eine Tür in eine Welt getreten, die nur in ihrer Vorstellung existiert hatte.
Selbst ihre Mutter war anders. Sie hatte die abaaya und den Schleier abgelegt und trug nun ein elegantes, schmal geschnittenes Kostüm in der Farbe ihrer Augen. Ihr offenes, herrlich rotes Haar fiel ihr sanft über die Schultern. Sie hatte sogar mit einem Mann gesprochen, einem Fremden, als sie durch die Paßkontrolle gegangen waren. Angstvoll hatte Adrianne dabei ihren Vater beobachtet und auf ein strafendes Wort gewartet. Aber es geschah nichts.
Überall liefen Frauen herum, manchmal allein oder am Arm eines Mannes. Sie trugen Röcke und enge Hosen, die ihre Beine erkennen ließen. Sie gingen mit erhobenem Kopf umher, wiegten sich in den Hüften, aber niemand starrte sie deshalb an. Zu ihrem maßlosen Erstaunen sah sie, wie sich ein Paar umarmte und küßte, während andere Leute an ihnen vorbeigingen. Hier gab es keine matawain mit ihren Kamelpeitschen und hennaroten Bärten, die sie dafür unter Arrest stellten.
Die Sonne ging gerade unter, als sie das Flughafengebäude verließen. Adrianne wartete auf den Ruf zum Gebet, hörte jedoch nichts. Auch hier herrschte ein gewisses Chaos, aber es kam ihr schneller und irgendwie organisierter vor als das Durcheinander auf dem Flughafen von Jaquir. Menschen drängten sich in Taxis, Frauen und Männer gemeinsam, ohne Scham oder Heimlichkeiten. Phoebe muss te Adrianne geradezu in die wartende Limousine zerren, da sie vom Schauen gar nicht genug kriegen konnte.
Paris in der Abenddämmerung. Wann immer Adrianne an Paris dachte, würde sie sich stets an diesen ersten Augenblick erinnern, an den wunderbaren Zauber des Lichts zwischen Tag und Nacht. Prächtige alte Gebäude erhoben sich rechts und links der Straße, erglühten in Rosa und Gold und mattem Weiß in der untergehenden Sonne. Der große Wagen glitt geräuschlos, aber schnell über die Boulevards mitten ins Herz von Paris hinein. Aber es war nicht die Geschwindigkeit, die ihr den Atem raubte und sie schwindlig machte.
Sie dachte, hier müßte Musik zu hören sein. An einem solchen Ort muss te es Musik geben. Aber sie wagte nicht um Erlaubnis zu fragen, die Fenster öffnen zu dürfen. Statt dessen ließ sie die Musik in ihrem Kopf erklingen, als sie an der Seine entlangfuhren, großartige, kraftvolle Klänge.
Sie sah Paare Hand in Hand Spazierengehen; das Haar und die kurzen Röcke der Frauen flatterten im Wind, der nach Wasser und Blumen duftete. Das war der Duft von Paris. Sie sah Cafes, in denen sich die Menschen an winzigen Tischen drängten und aus Gläsern tranken, die rot und golden im Sonnenlicht schimmerten.
Hätte man ihr erzählt, das Flugzeug habe sie auf einen anderen Planeten und in eine andere Zeit entführt, sie hätte es bedingungslos geglaubt.
Als der Wagen vor einem Hotel anhielt, wartete Adrianne, bis ihr Vater ausgestiegen war. »Können wir uns später noch mehr anschauen?«
»Morgen.« Phoebe drückte ihre Hand so fest, dass sie wimmerte. »Morgen.« Sie versuchte, ihr Zittern zu verbergen, das sie trotz der milden Abendluft überfiel. Das Hotel sah aus wie ein Palast - und mit Palästen war sie fertig.
Mit ihrer Entourage von Dienern, Leibwächtern und
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