Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
hatte, würde er sich nicht nur seine Diamanten zurückholen, sondern dafür sorgen, dass dieses Arschloch es bedauerte, sich in seine Angelegenheiten eingemischt zu haben, bevor er ihm seinen verdammten Schädel wegpustete. In der vergangenen Nacht hatte Deaver einige sehr angenehme Stunden damit verbracht, sich Jack an einen Stuhl gefesselt vorzustellen, während er ihn mit dem Messer bearbeitete.
Deaver verstand es ausgezeichnet, mit dem Messer umzugehen.
17:02.
Er ging in Gedanken noch einmal seinen Plan durch, zum ungefähr tausendsten Mal. Das Kriegshandwerk bestand zu neunzig Prozent aus Planung und Vorbereitung. Der Plan war gut, und er war vorbereitet.
Er wandte der Tür den Rücken zu.
17:03.
Die Tür öffnete sich, und Axel kam hereinmarschiert, ein braver finnischer Soldat vom Scheitel bis zur Sohle. Sein Tarnanzug war sauber und frisch gebügelt. Der babyblaue UN -Helm, der genauso viel Aufmerksamkeit (vor allem die sämtlicher Scharfschützen auf der ganzen Welt) auf sich zog wie ein Leuchtturm, saß fest auf dem Kopf, die Stiefel erstrahlten in frischem Glanz.
»Hallo, Mr Deaver«, sagte Axel. Sein Englisch war ausgezeichnet. »Wie geht es Ihnen heute?«
Das Licht, das durch die geöffnete Tür fiel, erfüllte den ganzen Raum. Da er mit dem Rücken zur Tür stand, waren Deavers Augen imstande, sich rasch an das Licht zu gewöhnen, das hinter ihm in die Zelle strömte. Sich aus der Dunkelheit ins Licht der Tropen zu begeben konnte einen Mann minutenlang praktisch blind machen.
»Hi, Axel. Machen Sie doch bitte die Tür zu.«
»Sicher.« Deaver hörte, wie sich die Tür mit einem Klicken schloss, und drehte sich dann zufrieden um. Inzwischen hatte sich Axel an Deavers merkwürdige Vorliebe für die Dunkelheit gewöhnt.
Gitterstäbe, die von der Decke bis zum Fußboden reichten, teilten die Baracke in zwei Bereiche. Deaver empfand seine Zelle geradezu als persönliche Beleidigung. Die Stäbe steckten lediglich lose in den hölzernen Bohlen des Fußbodens und waren mit Schrauben an der Stuckdecke befestigt. Das Schloss war ein Witz. Es würde schon auseinanderfallen, wenn man es nur zu stark anpustete. Was zum Teufel bildeten die sich ein? Wie sollte so eine Zelle einen Mann wie ihn festhalten?
Das Problem war nicht, hier herauszukommen, das Problem war, wie es danach weitergehen sollte. Sie befanden sich ungefähr zwanzig Meilen vom Sele entfernt. Selbst wenn er es durch den Dschungel bis zum Fluss schaffte, musste er erst noch ein Boot stehlen und damit dann bis nach Freetown schippern. Das würde mindestens drei Tage dauern. Jeder wusste, dass es nur einen einzigen Ort gab, an den ein Ausbrecher fliehen konnte, und das war Freetown.
Bis er es in die Hauptstadt geschafft hatte, würde es in ganz Freetown und – schlimmer noch – am Lungi-Flughafen vor UN -Truppen mit seinem Foto in der Hand nur so wimmeln, die allesamt scharf darauf waren, den amerikanischen Abtrünnigen einzufangen.
Also musste er dafür sorgen, dass niemand nach ihm suchte. Er brauchte einen Körper, der wie Vincent Deaver aussah und den sie beerdigen konnten.
Axel hatte vollstes Verständnis für ihn, das hatte er deutlich zum Ausdruck gebracht. Axel liebte Amerika, und seine ordentliche finnische Seele war entsetzt angesichts dessen, was er während seiner zweijährigen Stationierung in Zentralafrika gesehen hatte. »Die Hölle auf Erden«, hatte er es genannt.
Axel hatte mehr als einmal in aller Deutlichkeit gesagt, dass er es für eine lächerliche Vergeudung von Zeit und Energie hielt, Deaver einzusperren.
Er hatte natürlich recht. In diesem Teil der Welt herrschten seit fünfzehn Jahren Gewalt und Chaos, ein Stamm kämpfte gegen den anderen und brutale und grausame Massaker waren an der Tagesordnung. Im Vergleich zu dem, was die Revolutionäre Armee anstellte, waren Deavers Taten nicht mehr als eine kleine Ohrfeige.
Das hieß, Axel war definitiv auf seiner Seite. Deaver hatte sogar schon erwogen, ihn zu bestechen, damit er ihm Reisepapiere verschaffte. Das hätte funktionieren können, aber er brauchte noch etwas anderes von Axel als nur Papiere.
Seinen Körper.
Eigentlich bedauerlich, weil er den Kerl durchaus gut leiden konnte. Aber was blieb ihm anderes übrig?
»Frohe Weihnachten, Axel!« Axels Kopf fuhr herum, auf der Suche nach der Quelle dieser Stimme. Deaver saß mit gespreizten Beinen auf seiner Pritsche, die Unterarme auf die Knie gelegt, die Hände ineinander verschränkt. Vollkommen und ganz
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