Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
Und St. John wusste noch mehr von seinem Freund. Er kannte die dunkle Seite des gut gelaunten, heiteren Mannes. Und was er nicht erlebt hatte, wusste er aus den Gesprächen mit anderen. Wenn jemand ihm weiterhelfen konnte, dann Montague.
„Ach“, machte St. John gedehnt. „Meine Eltern sind nach Warwickshire und dazu hatte ich absolut keine Lust. Immer der gleiche Aufmarsch von Verwandten. Immer die gleichen Jagden. Nein, ich bin hiergeblieben und hatte gehofft, etwas zu erleben. Stattdessen ist Langeweile angesagt.“ Er verrollte demonstrativ seine Augen zum Himmel, als litte er Höllenqualen.
„So schlimm?“, fragte Montague mitfühlend und erntete ein gequältes Nicken.
„Ich dachte, deine Arbeit bei der Polizei ist im Moment recht unterhaltsam …“
Die erste Lücke in der Deckung, dachte St. John. „Ach, na ja. Du kannst dir ja denken … ich gehöre nicht zu diesen ganzen kleinen Beamten. Sie halten mich für einen Snob, der ihre Kreise stören will …“
Sein Freund änderte seine Position, als beginne die Unterhaltung nun erst, interessant zu werden. „Und da hast du dir gedacht, du besuchst mal den alten Monty und siehst, was der so zu bieten hat …“ Das Lächeln wurde immer breiter.
St. John kannte ihn gut genug, um die Schwingungen zu spüren, die hintern dem jovialen Ausdruck lagen.
„Mal ein richtiges Abenteuer … Nach was gelüstet es dich denn?“
Sie blickten sich an. Ruhig. Unverwandt. Die Visiere waren hinuntergeklappt und die Lanzen angehoben. Aller Scherz war verschwunden. Sie wussten beide, wovon sie sprachen.
„Was du empfiehlst“, erwiderte St. John ruhig.
„Ich empfehle dir eine andere Welt. Ein anderes Universum.“
Er fragte sich, ob er auf den Five to Twelve Club zu sprechen kommen sollte.
„Ich möchte unter Gentlemen sein.“
War das Hinweis genug?
Montague nickte langsam. Es war weniger ein Nicken, als vielmehr ein Absenken des Kopfes. Dann hob er ihn wieder an.
Das Licht ließ sein blondes Haar förmlich funkeln.
„Es gibt einen Club hier in London …“
Treffer!, schoss es St. John durch den Kopf.
„In den könnte ich dich einführen. Aber du musst schwören, dass du auf immer über das schweigen wirst, was du dort zu sehen bekommst. Du kennst niemanden, vor allem aber erkennst du dort niemanden.“
St. John schluckte hart.
„Wenn du bereit bist, hole ich dich heute Abend ab.“
„Ich bin bereit.“
Die Uhr unter dem gläsernen Sturz schlug mit grazilem Klang die zehnte Abendstunde. St. John hatte sich rasieren lassen, parfümiert und einen eleganten Anzug mit einem violetten Einstecktuch gewählt.
Lizzy saß neben dem Kamin und las. Nach einer Weile hob sie den Kopf und sah ihn an, als habe sie sich gerade eben erinnert, dass er überhaupt da war.
„Was hast du heute Abend noch vor?“, fragte sie mit schwesterlicher Neugierde.
„Monty holt mich ab. Wir gehen aus.“
Lizzys Blick wurde eisig.
„Montague?“
„Hast du was gegen ihn?“, fragte St. John leichthin.
„Der ist doch gar nicht dein Freund. Seit wann gibst du dich mit Leuten wie ihm ab?“
„Man muss schließlich nicht immer nur mit Langweilern zu tun haben“, gab St. John mit genervtem Unterton zurück. Es schmerzte ihn, dass er bereit war, seine eigene Schwester hinters Licht zu führen. Aber er hatte dasGefühl, sich auf derart vermintes Territorium zu begeben, dass er niemanden sonst hineinziehen wollte in seine Ermittlungen.
„Hör mal zu … Montague ist einer der verrufensten Männer der Londoner Gesellschaft. Sein elegantes Äußeres kann dich doch nicht täuschen, welcher Natur er ist? Er ist ein krankes Tier. Weißt du, was man ihm nachsagt? Welche Laster? Himmel, Richard! Ich bin weiß Gott keine Puritanerin, aber Montague … das ist eine Welt für sich! Bitte … lass dich nicht mit ihm ein! Bitte!“
Ihre Blicke waren so flehentlich geworden, so ungläubig, dass es ihn fast zerriss. So sehr, dass er vor ihr auf die Knie ging, ihre Hände ergriff und ihr tief in die Augen sah.
„Hör zu … ich tue nichts, was nicht in Ordnung wäre, ja?“
Sie presste ihren vollen, kleinen Kussmund zusammen und ihre Augen wurden noch größer.
„Du hast doch Kieran … Du wirst ihn verletzen, wenn du … mit Montague losziehst.“
„Es hat nichts mit Kieran zu tun“, sagte er und glaubte seinen eigenen Worten nicht. Seit er ihn kannte, gab es nichts, was nicht mit Kieran zu tun hätte.
„Dann geht es um die Ermittlungen in den Rippermorden …“ Ihre
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