Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
Stimme tastete in den Nebel. St. John versuchte, sich auf die Farbe ihres Kleides, einem warmen Orangeton, der hervorragend mit ihrem Haar harmonierte, zu konzentrieren.
„Richard – du weißt, was Montague für einen Ruf hat. Er ist weiß Gott alles andere, als das Bild eines englischen Edelmannes.“
Es war eine letzte Ermahnung. Ein letzter Versuch, ihn zur Umkehr zu bewegen und doch machte der melancholische Unterton in ihrer Stimme deutlich, dass sie nicht daran glaubte, ihn umstimmen zu können. So trat sie an den Kamin, stopfte eine tönerne Pfeife mit Tabak und entzündete diesen.
Richard beobachtete sie. Es war ihre liebenswerte Schwäche, all das nachzumachen, was als neuester Boheme Chic galt. Wie elegant sie den Kopf leicht zurücklegte, um an der Pfeife zu ziehen … Sie ähnelte immer mehr ihrer Mutter. Manchmal fragte er sich, ob sie diese bewusst nachahmte oder ob es war, wie schlecht gefärbter Stoff, der seine Farbe an das benachbarte Tuch abgab. Wie auch immer. Es wirkte nie aufgesetzt oder einstudiert und so war es in Ordnung.
„Richard?“
Ihre Blicke berührten sich.
„Du musst mir nur eines versprechen … Komm heil nach Hause zurück!“
Sie beide wussten, dass diese Aufforderung nicht übertrieben war, wenn man sich mit Montague einließ.
Der Zutritt zu der Welt, in die sie sich hineinbewegten, unterschied sich durch nichts von den anderen Türen in dieser Straße. Es gab einen eisernen Türklopfer, und wenn man den betätigte, trat einem ein elegant livrierter Diener entgegen.
„Jolls …“, grüßte Montague diesen, woraufhin der sich leicht verbeugte und die Tür ein Stück weiter öffnete, sodass sie bequem hindurchtreten konnten.
„Wir haben Sie erwartet, Euer Gnaden“, sagte er mit fester Stimme.
Jolls war also der Name des Dieners. St. John sah sich um. Jedes Detail prägte er sich ein. Allein die Tatsache, dass Montague ihn mitgenommen hatte, war ein Beweis, dass er sich sicher war, St. Johns Standesbewusstsein würde über seinen Beruf triumphieren.
Die Halle war leicht abgedunkelt und wirkte eher düster. Wie der Zugang zu einem Mausoleum. Hohe griechische Statuen nackter Marmorjünglinge schmückten die Flächen zwischen den Türen. Diese Halle war in einer halben Rotunde angelegt, was durch ein Windrosenmosaik am Boden unterstrichen wurde.
Der Diener nahm ihnen die Pelerinen ab.
„Nun, mein Lieber … Nervös?“, wollte Montague wissen, der sich offensichtlich in der Rolle des Eingeweihten gefiel.
St. John sah ihm fest in die Augen und verneinte.
„Das ist gut. Du siehst hier mehrere Türen. Jede steht für den Zugang zu einem bestimmten Laster. Welches bevorzugst du?“
Seltsamerweise deutete Montague nicht auf die Türen, sondern auf die Friese, die jeweils darüber angebracht waren. St. John runzelte die Stirn bei dem Versuch, zu erkennen, was dort dargestellt war. Ganz links sah man einen erwachsenen Mann, der hinter einem sich bückenden Jüngling stand und seine Erektion in dessen Anus schob. Der zweite Fries zeigte ein schreiendes Mädchen, das von zwei Männern gehalten wurde. Ihre Beine waren gespreizt und ein Mann trat mit vorgehaltenem Penis zwischen ihre Schenkel. Die nächsten Darstellungen zeigten Misshandlungen, Teufelsanbetung, eine Opiumhöhle, zwei Frauen, die sich aneinander delektierten sowie eine Orgie.
„Muss ich mich endgültig entscheiden?“
Montague schüttelte den Kopf.
„Nein. Nur jetzt. Treibst du es gerne mit Kindern, gehst du durch die erste Türe. Und so weiter. In jedem Fall werde ich dich begleiten und unterstützen.“ Bei dem Gedanken konzentrierte sich St. Johns Magen zu einem kleinen Ball, der beständig Wellen aus Übelkeit und Brechreiz erzeugte.
„Es gibt viele Clubmitglieder, die hin und her wechseln. Es ist ja auch langweilig, immer dem gleichen Laster zu frönen. Der Völlerei kannst du dich übrigens immer und überall hingeben. In jedem Bereich gibt es üppige Büffets. Solltest du dich erholen wollen, sag Bescheid! Nun? Hast du gewählt?“
„Ja. Diese da …“ Er deutete auf eine der Türen, die halb-kreisförmig angeordnet waren.
„Ah, sehr gut. Wohlan denn, mein Lieber!“
St. John war versucht, vor Anspannung die Luft anzuhalten.
Die Tür wurde geöffnet und er trat hindurch.
Sie befanden sich in einer Folterkammer. Die Luft war dick. Der Gestank, der sie augenblicklich umgab, führte dazu, dass er durch den Mund zu atmen begann.
Mehrere nackte Männer standen herum. Ihrem Äußeren nach
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