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Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Titel: Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Norton
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anschickt, raten, mal bei uns einen Blick in die Archive zu werfen …“
    Er schüttelte den Kopf, als sie dies die sensationelle Erkenntnis seines jahrelangen Dienstes.
    „Ich gehe jetzt in die Teepause.“ Damit verschwand Walker.
    St. John tat, was Walker von ihm erwartete – er trat an den Schreibtisch und betrachtete den prall gefüllten Aktendeckel, auf dem säuberlich in bester Beamtenmanier geschrieben stand:
    Kieran Patrick, auch Padraig, O’Malley
    *22. November 1860
    Kellnamuchty, County Clare, Irland
    Sein Herz schlug schneller. Sehr viel schneller. Schweiß trat kühl auf seine Stirn und dieses verfluchte Rauschen erfüllte wieder seine Ohren. Er schlug den Pappdeckel auf und starrte auf einen Stapel unterschiedlichster Papiere. Mal mit Maschine, meistens mit der Hand beschriftet.
    Abgespannt setzte er sich auf Walkers Stuhl und begann die Lektüre eines Lebens, das als Zweitjüngstes von zwölf Kindern einer Bauernfamilie in Irland begann. Offensichtlich starben seine Eltern früh und die Geschwister wurden in alle Winde zerstreut. Kieran fuhr ein paar Jahre zur See. Da musste es zu Schlägereien und kleineren Diebstählen gekommen sein. Von Auspeitschungen berichteten die Unterlagen.
    St. Johns Magen zog sich zusammen. Sein Großvater, ein ehemaliger Admiral hatte ihm allzu lebendige Schilderungen dieser drakonischen Strafe gegeben.
    „Den Sauhunden hast du ihre Taten ein Leben lang ansehen können, sobald sie nur das Hemd ausgezogen haben!“
    Auch ihm waren die Narben auf Kierans Rücken aufgefallen. Er musste damals noch ein halbes Kind gewesen sein …
    Dann kam er nach London. Erpressung, Diebstahl, Einbrüche, Hehlerei … Das volle Programm jedes Kriminellen.
    Doch dann wurden die Seiten mit einem Mal einsilbig. St. John hatte genügend Erfahrung im Lesen von Akten gesammelt, um dies zu erkennen. Es gab immer wieder Seiten, deren Ecken deutliche Spuren von Heftklammern zeigten, bei denen aber die Folgeseiten fehlten, die dort einstmals waren.
    St. John nahm die Schultern zurück. Die Anspannung lief durch seinen Körper, ließ ihn aufrecht sitzen mit steifem Nacken.
    Die letzte vollständige Information stammte aus dem Jahr 1877. Jenem Jahr, in dem Kieran in London aufgetaucht war.
    Man hatte ihn im August aufgegriffen. Männliche Prostitution … Körperlicher Schmerz erfasste ihn bei der Vorstellung, wie sich Kieran gegen Geld einem anderen Mann hingab. Er dachte an düstere Hinterhöfe, an dreckige Bauruinen. Sah vor seinem inneren Auge einen hübschen jungen Burschen, der vor einem feisten älteren Mann kniete, und diesen mit dem Mund befriedigte.
    Natürlich wusste er von den Kindern und Jugendlichen, die gegen eine warme Mahlzeit und eine Nacht in einem richtigen Bett alles taten, was man sich vorstellen konnte. Aber, dass Kieran zu ihnen gehört hatte – das zerriss sein Herz.
    Seine Hand glitt über die Seiten, als wolle er Kontakt zu dem Kieran aufnehmen, der dort beschrieben wurde. Zu jenem Jungen, der hungrig und einsam durch London streifte. Mit zerschundenem Rücken und zerbrochener Seele.
    St. John schämte sich. Er schämte sich, weil er die Schicksale dieser Menschen erst jetzt so nahe an sich heranließ, da er sich in einen von ihnen verliebt hatte. Weil es so viel Leid gab, von dem er nicht erfahren hätte, wäre er nicht zur Polizei gegangen.
    Dass er nicht weitergelesen hatte, bemerkte er erst, als sich die Tür öffnete und Walker eintrat.
    „Nun?“, fragte er mit düsterer Miene und setzte sich auf den Schreibtisch. St. John sah ihn unverwandt an. „Er ist auf den Strich gegangen.“
    Walker nickte, behielt ihn allerdings im Auge.
    „Macht ihn das zu einem schlechten Menschen?“, fragte St. John.
    „Unter Umständen – ja. Ist Ihnen an der Akte nichts aufgefallen, St. John?“
    Dass Walker das zur Sprache brachte, überraschte ihn, doch er nahm es dankbar zur Kenntnis.
    „Ja. Natürlich ist mir was aufgefallen. Es sieht aus, als würden Seiten fehlen. Passagen scheinen irgendwie sinnlos, als wären wichtige Puzzleteile abhandengekommen.“
    Walker schob ein paar Büroklammern hin und her, bildete kleine Häufchen und stieß sie wieder auseinander.
    „Genau so ist es. Jemand wollte verhindern, dass alle Details über Mr. O’Malley ans Tageslicht kommen.“
    „Er selbst sicher nicht. Weder er noch einer seiner Leute würde jemals Zugriff zu diesen Akten erhalten.“
    Walker öffnete seine Augen ein Stückchen weiter und starrte St. John an, als wolle er ihn

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