Gefährlicher Verführer
jedes einzelne Lied erkannt und
verstanden zu haben, ehe sie den Tieren antwortete.
Sie rief die Vögel zu sich.
Während sie den Arm ausstreckte, sang sie ihnen ein Lied, lockte sie an, und
die Vögel verließen ihre Äste und Nester. Sie flatterten um Tempest herum und
beobachteten sie wachsam, bevor sie sich schließlich auf ihrem Arm
niederließen.
Einige Eichhörnchen
gesellten sich lärmend dazu, blieben aber am Ufer des Baches stehen. Langsam,
mit äußerster Vorsicht, ging Tempest auf sie zu, während sie sich leise mit
den Vögeln unterhielt, die um sie herumflatterten und ihre Lieblingslieder
sangen. Zwei Hasen wagten sich zögernd aus dem Dickicht und schnupperten.
Tempest blieb ganz still stehen, versuchte, die Tiere allein mit ihren Gedanken
zu erreichen und in den Kreis einzubeziehen.
Schließlich war es der
Gesang eines Vogels, der sie vor der Gefahr warnte. Er schwebte auf einem
Luftstrom hoch über ihr und erspähte mit seinen scharfen Augen, dass sich im
Gebüsch etwas bewegte. Der Vogel stieß einen Schrei aus, um die anderen zu warnen,
dass sie nicht allein waren. Rasch drehte sich Tempest um, sodass die Vögel
aufstoben und die Eichhörnchen und Hasen sich in ihre Verstecke zurückzogen.
Schließlich stand sie allein auf der Lichtung, die nackten Füße noch immer im
Wasser. Im dichten Unterholz entdeckte sie einen Mann, der hektisch
fotografierte. Er kam Tempest nur allzu bekannt vor und betrachtete sie mit
einem ausgesprochen triumphierenden Gesichtsausdruck. Ganz offensichtlich war
es ihm gelungen, Fotos von den Tieren zu machen, die sie um sich versammelt
hatte.
Seufzend strich sich Tempest
durchs Haar. Wenigstens war es ihr nicht gelungen, ein Raubtier anzulocken,
keinen Bären oder Fuchs. Dennoch stellte sie sich die Titelseite des Magazins
vor, für das der Reporter arbeitete. Ihr Bild würde darauf erscheinen, mit der
Schlagzeile: Die Tierbändigerin der Dark
Troubadours. Das würde sicherlich einen
großartigen Artikel ergeben. Wie schaffte sie es nur immer wieder, sich in
solche Schwierigkeiten zu bringen?
»Hallo. Sie scheinen uns zu
folgen«, begrüßte sie Matt Brodrick und hoffte inständig, nicht so ängstlich
und unsicher zu klingen, wie sie sich fühlte. Es gefiel ihr ganz und gar nicht,
mit einem Mann allein zu sein, vor allem nicht an einer so einsamen Stelle wie
dieser Waldlichtung. »Konnten Sie einige gute Aufnahmen machen?«
»Allerdings«, antwortete er
und ließ die Kamera an einem Gurt um seinen Hals baumeln. Er ging auf Tempest
zu und blickte sich vorsichtig um. »Wo ist denn der Leibwächter?«, erkundigte
er sich misstrauisch.
Unwillkürlich watete Tempest
rückwärts in die Mitte des Baches, während Brodrick auf sie zukam.
»Ich dachte, dieser
Leibwächter würde Sie niemals aus den Augen lassen.«
»Wie kommen Sie denn auf die
Idee? Ich bin Automechanikerin, kein Mitglied der Band. Er bewacht Desari,
unsere Sängerin. Das ist seine Aufgabe. Ich kann ihm ja eine Nachricht von
Ihnen überbringen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.« Brodrick beunruhigte
sie. Tempest wusste, dass er nicht nur ein neugieriger Reporter war, der die
Band verfolgte, vermochte jedoch nicht zu erahnen, was er wirklich im Schilde
führte.
»Vor einigen Monaten hat man
versucht, Desari umzubringen«, bemerkte Brodrick und beobachtete Tempest
wachsam. »Hat man Ihnen das erzählt? Wissen Sie, dass auch zwei andere Bandmitglieder
durch Schüsse verletzt wurden? Es kann gefährlich sein, sich mit diesen Leuten
abzugeben.«
Innerlich wurde Tempest
still. Sie spürte, dass Brodrick die Wahrheit sagte. Doch er hatte ihr
absichtlich hier in der Einsamkeit des Waldes davon erzählt, um sie zu
schockieren und zu verunsichern. Tief atmete Tempest die frische Waldluft ein
und versuchte, die Angst zurückzudrängen. Sie begann, unauffällig einige
Schritte mit der Strömung zu gehen, während sie gleichzeitig die Schultern
zuckte. »Das hatte nichts mit mir zu tun. Ich repariere die Autos, das ist
alles. Sie schweben vermutlich in viel größerer Gefahr als ich, wenn jemand
versucht, Desari etwas anzutun, und Sie uns ständig verfolgen.«
Tempest warf einen Blick zum
Himmel. Es war ein klarer, wunderschöner Tag. Einige kleine Wolken schwebten
wie flauschige Wattebäusche hoch am Himmel. »Es war vermutlich irgendein
verrückter Fan. Sie kennen diese Typen. Desari ist sexy und bildschön. Sie
zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Manchmal kann das gefährlich werden.« Die
stille Schönheit
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