Gefährlicher Verführer
Wallace
die Schultern. »Manchmal muss man eben kleine Opfer bringen. Unglücklicherweise
werden wir die junge Dame beseitigen müssen, um unser Geheimnis zu bewahren.«
Cullen sah sich im Zimmer um
und betrachtete die Gesichter der anderen Männer. Er hoffte, einer von ihnen
würde ihn in seinem Protest unterstützen. Doch ihre Mienen drückten nichts als
unbedingten Gehorsam aus. Also beschloss Cullen, im Augenblick lieber den Mund
zu halten.
»Hast du ein Problem
damit?«, knurrte Brady, in dessen Augen plötzlich Mordlust aufblitzte.
Cullen zuckte die Schultern.
»Nein, nicht mehr als die anderen«, improvisierte er. »Nur weil es
erforderlich ist, Brady, muss es mir noch lange nicht gefallen. Ich werde nach
dieser jungen Frau suchen, wenn die Band ihr nächstes Konzert gibt. Es findet
im Norden von Kalifornien statt. Ich bin sicher, dass sie sich bereits auf dem
Weg dorthin befinden. Sie sollte leicht aufzustöbern sein, doch falls ich mich
irre, müsst ihr jemanden in das Naturschutzgebiet zurückschicken. Vielleicht
wohnt sie im Ort oder befand sich auf einer Campingtour. Möglicherweise haben
die Parkwächter sie gesehen.«
Einen Augenblick lang
schwieg Brady Grand, während er sich bemühte, seine Streitlust zurückzudrängen.
Er nickte.
»Nimm ihn mit. Es ist
sicherer, wenn ihr zu zweit seid.« Er zeigte auf den jungen Mann, da er wusste,
dass dieser darauf aus war, eine Gewalttat zu begehen, um sich innerhalb der
Gruppe zu beweisen.
»Ich arbeite immer allein,
das weißt du«, protestierte Cullen. »Zu zweit würden wir nur die Aufmerksamkeit
des Leibwächters auf uns lenken. Bei ihm müssen wir mit dem Schlimmsten
rechnen. Ich wette, er war es, der unser Team ausgeschaltet hat.«
»Vielleicht«, meinte Wallace
nachdenklich, »doch ich halte Savage für den wahrscheinlicheren Kandidaten. Er
tauchte genau zu dieser Zeit auf. Ich glaube nicht, dass Desaris Leibwächter
eine Bedrohung für uns darstellt. Es sei denn, er ist auch einer von ihnen.«
Cullen unterdrückte seine
Erwiderung. Es hatte keinen Zweck. Im Lauf der letzten Jahre war Brady Grand
ebenso fanatisch geworden wie William Wallace. Sie trugen ständig Waffen bei
sich und bildeten eine kleine Armee aus. Beide bildeten sich ein, sich in
einem Krieg zu befinden. Cullens Überzeugung war da viel einfacher. Falls
Vampire, diese schrecklichen Ungeheuer, tatsächlich existierten, mussten sie
ausgerottet werden. Vor einigen Jahren war Cullen in San Francisco gewesen,
als dort gerade ein Serienmörder sein Unwesen getrieben hatte. Nur hatte es
sich nicht um einen gewöhnlichen Verbrecher gehandelt. Das Ungeheuer hatte
Cullens Verlobte vor seinen Augen ermordet und ihr lachend das Blut ausgesaugt.
Die Polizei hatte ihm nicht geglaubt. Niemand hatte ihm geglaubt. Bis er
schließlich Brady Grand begegnet war. Doch inzwischen war sich Cullen nicht
mehr sicher, ob sich so blutrünstige Männer wie Grand und Wallace wirklich so
sehr von Vampiren unterschieden.
Wieder warf Cullen einen
Blick auf das Foto der lachenden, rothaarigen Frau. Sie war schön, und ihr
Lächeln drückte Freude und Wärme aus. Sie schien mitfühlend und unschuldig zu
sein. Neben ihrer schlanken Gestalt und dem langen, rotgoldenen Haar sah Cullen
auch einen wertvollen Menschen. Es war eine Frau, die über die gleiche
angeborene Güte verfügte, die auch seine Verlobte ausgezeichnet hatte.
Seufzend steckte er das Foto in die Tasche. Es erstaunte ihn, dass die anderen
nicht in der Lage waren, die Unschuld in ihrem Gesicht zu erkennen. Sie hatte
nichts mit Vampiren zu tun.
»Ich werde jetzt
aufbrechen«, erklärte er grimmig. »Bestimmt werde ich anrufen, um zu erfahren,
ob es neue Informationen gibt, also sorgt dafür, dass die Telefone besetzt
sind.«
Brady warf ihm einen
eigenartigen Blick zu. Langsam nickte er und sah Cullen mit seinen kalten,
reptilienhaften Augen nach, als dieser das Zimmer verließ. Draußen atmete
Cullen tief die frische Nachtluft ein, um den Gestank des Fanatismus
loszuwerden. Er hatte sich dem Geheimbund angeschlossen, um den schrecklichen
Tod seiner Verlobten zu rächen. Doch das war wohl keine so großartige Idee
gewesen, fand er inzwischen. Er wollte sich endlich von all dem Zorn und Hass
befreien und ein neues Leben beginnen.
Das Foto schien ihm ein Loch
in die Tasche zu brennen. Es wäre am klügsten gewesen, sofort unterzutauchen
und sich zu verstecken. Doch er kannte Brady Grand. Der Mann liebte es zu töten
und glaubte, dass ihm der Bund der
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