Gefährliches Begehren
aufzugeben.
Sie schnaubte. »Nach wem wollt Ihr läuten? Wenn ich Tee möchte, muss ich ihn mir selber kochen.«
Frustriert wünschte Stanton, er könnte ihr anbieten, es zu tun, aber er hatte offengestanden keine Ahnung, wie das ging. »Dann ein Glas Wasser?«
Sie schaute ihn mit seitlich geneigtem Kopf an. »Ihr würdet mir ein Glas Wasser holen?«
»Selbstverständlich.«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Ihr brennt wirklich darauf, diese Geschichte zu hören, nicht wahr?«
Stanton fühlte, wie der Ärger wieder in ihm aufstieg. »Könnt Ihr denn niemandem erlauben, Euch behilflich zu sein? Sagt mir sofort, wo die Küche ist.«
Sie seufzte ungestüm und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Die Hintertreppe hinunter und dann rechts. Es ist das merkwürdig aussehende Zimmer mit dem großen Herd und dem Spülbecken.«
Stanton machte sich nicht die Mühe, auf diese Stichelei zu reagieren, sondern wandte sich ab und verließ den Salon. Kurz darauf kehrte er mit einem Glas Wasser zurück. »Bitte. Ich habe ganz allein die Küche gefunden und ein Glas, dann habe ich höchstselbst die Pumpe bedient.«
Staunend schaute sie ihn an, als sie reflexartig die Hand nach dem Glas ausstreckte. »Ist das ein Scherz? Scherzen griechische Heldenstatuen? Ich glaub es nicht«, sagte sie bestimmt. »Nie hat jemand angedeutet, dass Ihr auch nur einen Funken Humor besitzt.«
Interessant. Seit mindestens einer halben Stunde hatte Stanton keinen Gedanken mehr an seine Reputation verschwendet. Er verbeugte sich knapp. »Ich bitte um Verzeihung. Ich werde mich bemühen, Euch nicht noch einmal zu enttäuschen.«
Sie nippte an ihrem Wasser und verschluckte sich fast. »Hört auf damit«, keuchte sie. »Es macht mich ganz fertig.«
Stanton war in der Tat ein wenig von sich selbst überrascht. Normalerweise konzentrierte er sich viel mehr, vor
allem wenn er einen Fall bearbeitete. Sie brachte ihn augenscheinlich um den Verstand. »Wenn Ihr Euch wieder etwas erholt habt, würde ich es sehr begrüßen, den Rest …«
»Ihr macht viel zu viele Worte«, unterbrach sie ihn. »Sagt einfach: weiter!«
Stanton nickte, während sich seine Mundwinkel leicht kräuselten. »Weiter! Bitte.«
Sie schaute ihn finster an. Der Brei auf ihrer Stirn bröckelte. »Mamasöhnchen.« Dann nippte sie noch einmal an ihrem Glas und stellte es beiseite. »Die zwei Männer weigerten sich, bei dem Plan des Adeligen mitzumachen, sagten, es sei zu gefährlich. Einer von ihnen meinte, der Narbenmann könne gern jede Belohnung haben, die Napoleon bereit sei, ihm zu zahlen, aber er wäre nicht bereit, dafür zu sterben. Dann sind sie gegangen, ganz dicht an meinem Versteck vorbei. Ich habe mich geduckt, bis sie weg waren. Als ich wieder aufschaute, war der Adlige reingegangen – zumindest ist er nicht an mir vorbeigekommen.«
»Es wurden keine Namen genannt? Ihr habt also keine Ahnung, wer die drei Männer waren?«
Sie warf ihm einen ironischen Blick zu. »Oh, das tut mir aber leid. Hätte ich zu ihnen gehen und fragen sollen?«
»Was war mit ihrer Statur? Waren sie groß oder eher klein?«
Sie blinzelte zu ihm auf. »Das habe ich nicht deutlich gesehen. Der Adlige hatte eine Kapuze auf und blieb im Schatten. Der Mann mit der Zigarre war untersetzt, der Cockney-Kerl nicht.«
»Was war mit ihrer Kleidung? Ist Euch da irgendetwas Besonderes aufgefallen?«
Sie seufzte. »Es war zu dunkel. Die einzigen Dinge, an die
ich mich erinnern kann, sind der Tabakduft des Untersetzten und die Stimme des Adligen.«
Tabak? Das war ein ausgezeichneter Hinweis. Viele Herren bestellten eine individuelle Mischung bei ihrem Tabakhändler, so einzigartig wie ihr Name. Wenn er ihr eine Auswahl an Zigarren vorlegen könnte …
»Was ist mit diesem vorgeblichen Adligen? Was war so ungewöhnlich an seiner Stimme?«
Sie zuckte die Achseln. »Er betonte manche Wörter etwas merkwürdig.«
»Könntet Ihr diese Besonderheit nachmachen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin eine schreckliche Schauspielerin. Ich würde Euch nur auf eine falsche Fährte setzen.« Wieder zuckte sie die Achseln. »Ich würde ihn wahrscheinlich wiedererkennen, wenn ich ihn noch einmal hörte, aber ich kann es nicht richtig beschreiben.«
In Stanton wuchs die Enttäuschung. Das war nicht nur der beste Hinweis der ganzen Geschichte, nein, sein Instinkt sagte ihm auch, dass der »Monsieur«, über den die Verschwörer gesprochen hatten, niemand anderes sein konnte als die Schimäre.
Der Staatsfeind hatte sich
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