Gefährliches Begehren
sie wird nicht aufspringen und alles den Franzosen verraten. Wenn Willa sagt, dass sie ein Wanderfalke ist, dann wird sie so vehement und loyal sein wie dieser kleine Raubvogel. Willa kennt sich damit aus, verstehst du? Außerdem …« Sie drehte den Kopf und schaute Alicia schelmisch an. »Außerdem kann ich kaum erwarten zu erfahren, wie Wyndham wirklich ist.«
Willa beugte sich vor. »Oh, ja! Erzählt, erzählt!«
Selbst Julia schien gewillt, sich von einem Gespräch über Stanton Horne, Lord Wyndham, ablenken zu lassen. »Ich kenne ihn seit Jahren, aber nur durch unsere Korrespondenz«, sagte sie langsam und ließ Alicia dabei nicht aus den
Augen. »Es würde mich interessieren, was Ihr über den … den eigentlichen Mann zu sagen habt.«
Olivia tat so, als fiele sie gleich in Ohnmacht, und landete dabei auf Willas Schoß. »Den eigentlichen Mann! Ich halte es nicht aus!«
Willa schob sie prustend beiseite. »Ach, hör doch damit auf, Livvie. Du hast deinen eigenen Wikinger! Du schwärmst doch nicht allen Ernstes für Wyndham!«
Olivia richtete sich grinsend auf. »Nein, aber ich bin verdammt neugierig, was ihn betrifft.«
Alicia fühlte sich wieder in die Enge getrieben, als die drei sie fragend anschauten. »Ich … ich fürchte, ich weiß nicht wirklich viel über ihn«, gab sie langsam zu, und die Tiefe ihres Unwissens wurde ihr bei diesen Worten erst richtig bewusst. »Ich glaube, ich habe in den letzten fünf Minuten mehr über ihn erfahren, als ich bisher wusste.«
Willa nickte. »Unergründlich.«
Olivia seufzte. »Seine Kusine Jane hat mir erzählt, dass er ihre kranke, verwirrte Mutter höchstpersönlich in seinen Armen getragen hat, als er sie aus ihrer Armut erlöste.«
Natürlich hat er das getan. Die Tatsache, dass sie diese Erzählung nicht für den Bruchteil einer Sekunde in Zweifel zog, gab Alicia ein gutes Gefühl. Wyndham mochte noch immer ein Geheimnis für sie sein, aber sie kannte ihn gut genug, dass sie glauben konnte, dass er sich immer als vollendeter Gentleman verhalten würde.
»Er hat mir geholfen, als ich es nicht von ihm erwartet hatte«, fügte Julia hinzu, schien jedoch nur ungern Informationen preiszugeben, wenn sie eigentlich vorgehabt hatte, welche einzuholen.
Alicia musterte die drei Frauen, die sie verhörten. Sie
mochten freundlich sein, aber Alicia gab sich nicht der Illusion hin, dass das hier eine harmlose Unterhaltung war.
»Wyndham war immer sehr galant und …« Na ja, »nett« konnte sie schlechthin sagen. »Er ist ein ehrenwerter Mann«, beendete sie den Satz etwas lahm. »Ein bisschen steif zwar und viel zu misstrauisch, und ich glaube nicht, dass er auch nur die geringste Ahnung hat, welchen Effekt seine Augen auf eine Frau haben können, sonst würde er mich nicht so eindringlich ansehen …«
Ihr wurden drei Augenpaare bewusst, die sie gebannt anstarrten. »Oh!« Sie hob beschwichtigend die Hand. »Bitte, missversteht mich nicht. Ich habe kein Interesse an dem Mann. Er war sehr gut zu mir.«
»Warum nur, frage ich mich.« Olivia legte ihre verschränkten Hände um ein Knie und blickte nachdenklich. »Ich meine, natürlich will er die Schi… au! … die Verschwörung aufdecken.« Sie rieb sich die Seite. Willa neben ihr hatte sich kein bisschen bewegt, darauf hätte Alicia einen Eid geschworen. Doch jetzt brannte sie natürlich darauf, zu erfahren, was es mit der »Schi…« auf sich hatte. Sie runzelte die Stirn. »Mich frustrieren diese ganzen Rätsel ziemlich, versteht Ihr. Und ich kann nicht für die Folgen dieser Frustration verantwortlich gemacht werden.«
Willa grinste schelmisch. »Ich weiß genau, was Ihr meint. Ich tendiere dazu, versehentlich Menschen zu verletzen.«
»Männer«, korrigierte Olivia. »Du tendierst dazu, Männer versehentlich zu verletzen. Ich hingegen tendiere dazu, mich selbst zu verletzen.«
Selbst Julia lächelte jetzt. »Ich mag Frustrationen auch nicht.«
Alicia legte den Kopf schief. »Und wen verletzt Ihr?«
Julias Lächeln wurde eisig. »Wer auch immer diese Frustration verursacht hat, wird natürlich von mir verletzt.«
Es gibt Leute, die behaupten, sie hätte einen Mann getötet.
»Habt Ihr es getan?« Alicia konnte kaum glauben, dass sie die furchteinflößende Julia derart herausforderte, aber die Wörter wollten einfach heraus. »Habt Ihr einen Mann getötet?«
Julia zuckte nicht mit der Wimper. »Ich habe es versucht. Er ist geflohen, aber ich befürchte für ihn, er war danach nicht mehr der
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