Gefährliches Begehren
Treppenstufe zu verlassen, bevor sie nicht zu einem Entschluss gelangt war.
Unten öffnete sich die Eingangstür und ließ einen weiteren Gast hinein. Kein Wunder, dass sie und Wyndham gezwungen waren, sich ein Zimmer zu teilen. Offenbar wollte niemand die Saturnalien von Lord Cross verpassen.
Ein Strom von aufeinandergetürmten Gepäckstücken mit livrierten Beinen taumelte durch die Tür und wurde von einem sehr eleganten Hütchen gefolgt. Es war anzunehmen, dass eine ebenso elegante Dame darunter war. Mehrere Lakaien rauschten mit schmeichlerischen Ausrufen vor, um das besagte Hütchen in Empfang zu nehmen, sodass ebenso anzunehmen war, dass die besagte Dame sehr attraktiv war.
»Mylady, wir haben das Gartenzimmer für Euch reserviert«, sagte der Butler zu dem Neuankömmling mit einem Anflug echter Wärme in der Stimme.
Alicia zappelte geradezu vor Neugier und lehnte sich gefährlich weit zur Seite – sie konnte freilich nicht aufstehen, denn schließlich war sie noch zu keinem Entschluss gelangt -, um unter den Rand des besagten Hütchens zu linsen.
»Verdammte Pfauenfedern!«, murmelte sie. Sie drückte sich so dicht wie möglich an das Treppengeländer, ohne dabei Spuren davon auf ihrem Gesicht zu hinterlassen, denn sie hatte noch nicht jegliches Gefühl für Anstand verloren, aber sie konnte die fremde Dame nicht sehen. War es
womöglich die berühmte neue Mätresse des Prinzregenten, Lady Halswick?
Endlich wurde das Hütchen abgenommen, und ein Kopf mit glänzendem weißblonden Haar erschien, das in eine makellose Frisur geschlungen war, die selbst von dem höchst eleganten Hütchen nicht in Unordnung gebracht worden war.
Alicia beugte sich noch weiter vor, aber sie konnte nichts sehen als eine glatte elfenbeinfarbene Stirn und die Spitze einer tadellosen Nase. Die Frau musste jedoch atemberaubend schön sein, denn der Butler und die Lakaien standen in einem bewundernden Halbkreis um sie herum und hatten ihr die Gesichter zugewandt wie den Strahlen der Sonne.
»Danke«, erklang eine melodiöse Stimme unter dem glänzenden Haarturm. »Sagt … ist Lord Wyndham bereits eingetroffen?«
Wyndham?
Mein Wyndham? Aber das war er nicht, nicht wirklich jedenfalls. Oder? Alicia spürte, wie ihr Magen revoltierte und sie daran erinnerte, wie wenig sie über Wyndham wusste.
»Ja, Mylady. Er ist gestern angekommen.« Der Butler verneigte sich übermäßig tief. Alicia hasste die Dame schon jetzt. »Soll ich ihn von Eurer Ankunft unterrichten?«
»Äh … nein. Ich glaube, ich möchte ihn lieber überraschen.«
Alicia ballte die Fäuste. Die strahlende Schönheit da unten wäre tatsächlich überrascht, wenn Alicia ihre von ihrem Waldspaziergang beschmutzten Schuhe in diese unsägliche Frisur schleuderte.
Der Butler schien sich gerade genügend zu erholen, dass
ihm auffiel, dass die Lakaien nur staunend dastanden, statt zu arbeiten. Er klatschte laut in die Hände. »Auf jetzt! Tragt die Sachen ins Gartenzimmer. Lady Wyndham hat nicht den ganzen Tag Zeit!«
Lady Wyndham.
War es das, was die Sirenen hatten herausfinden wollen – ob Alicia wusste, dass Wyndham verheiratet war?
Verheiratet. Wyndham. Zum Teufel noch mal!
In Windeseile war Alicia von der Treppenstufe aufgesprungen und auf der Jagd, denn sie hatte sich gerade daran erinnert, was sie in ihrem Leben erreichen wollte.
Wyndham natürlich.
Und zwar ohne seine schöne Frau, wenn sie es schaffte.
Wyndham schritt durch das Herrenhaus und zog sich im Gehen die Reithandschuhe an. Lady Dryden hatte vorgeschlagen, dass er, Greenleigh, Reardon und Lord Dryden einen Herrenausflug unternahmen, was bedeutete, dass sie ausritten, um draußen eine geheime Konferenz abzuhalten, wobei Marcus aus Gründen der Diskretion als Stellvertreter seiner Frau fungierte. Die übliche Trennung der Geschlechter während einer Hausparty hätte jegliches Strategiegespräch unterbunden, wenn Marcus und Julia nicht so überragende Partner wären.
Julia war die erste Frau in der Geschichte der Vier, und als Falke, der über sie alle wachte, war Stanton froh darüber, dass sie auch den seit Generationen besten Fuchs abgab. Wenn man bedachte, dass der Fuchs das Schicksal von Nationen in seinen Händen hielt, dann hielt er persönlich es für eine überaus glückliche Fügung, dass Julia, Lady Dryden, auf ihrer Seite war.
»Darling!«
Dieser allzu vertraute Ausruf ließ ihn innehalten.
Nein. Das konnte nicht sein. Nicht hier. Nicht jetzt.
Und doch: Es war ein
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