Gefährliches Begehren
Blick, eine zärtliche Berührung – aber da war nichts gewesen. Als wäre eine Tür zwischen ihnen zugeschlagen und hätte diesen Augenblick verhindert, bevor er noch beginnen konnte.
Selbst jetzt, da sie nur Zentimeter voneinander entfernt, sich so nahe waren, dass sie die Hitze seines Körpers auf der Haut ihres Arms und ihrer Schulter und ihrer beinahe entblößten Brüste spüren konnte, selbst jetzt strömte Wyndham nichts als diese Hitze aus, die sie nicht im Geringsten wärmte.
»Ihr seht sehr gut aus«, flüsterte sie ihm zu, denn es stimmte. »Wie ein Wegelagerer.«
Er schenkte ihr nicht den flüchtigsten Blick. »Danke.«
Sie hatte nicht damit gerechnet, im Gegenzug ein Kompliment zu bekommen, zumindest war ihre Hoffnung nicht groß gewesen, aber seine Distanziertheit fing an, sie zu irritieren. Doch dagegen konnte sie etwas tun.
Also nahm sie die Hand von seinem Arm und knickste
unbeschwert. »Ihr seid ein schrecklicher Stockfisch«, sagte sie. »Ich will sehen, ob Lord Farrington der Sinn nach Tanzen steht.«
Endlich hatte sie seine Aufmerksamkeit geweckt. »Nein.«
Sie legte den Kopf schief. »Interessant.« Und ein wenig aufregend. »Wollt Ihr damit zum Ausdruck bringen, dass Ihr nicht wollt, dass ich mit Lord Farrington tanze?«
»Was sonst.« Doch dann zerstörte er ihre gute Laune. »Ihr habt Farrington bereits als möglichen Verdächtigen ausgeschlossen. Tanzt mit jemandem, mit dem Ihr noch nicht gesprochen habt.« Er drehte sich um und schaute den Tänzern zu, als suche er nach ihrem nächsten Opfer.
Alicia atmete tief ein. Dieser Mann würde sie noch umbringen!
Man sehe sich diesen arroganten, sturen Bastard an! »Wenn Ihr nicht so gut aussehen würdet, Wyndham«, murmelte sie vor sich hin, »wäre es viel leichter, Euch eine runterzuhauen.«
Er schaute sie über die Schulter an. »Bitte?«
Sie verschränkte die Arme. »Ich sehe schön aus. Ich weiß, dass ich schön aussehe. Jeder in diesem Ballsaal weiß, dass ich schön aussehe. Ich werde es heute Nacht wahrscheinlich so oft hören, dass mir davon schlecht wird.«
Sein Blick wanderte an ihrem Körper hinunter und wieder herauf. »Ich wage zu behaupten, dass das stimmt.« Er wandte sich wieder ungerührt der Menge zu.
Doch Alicia hinter seinem Rücken lächelte. Ich habe es gesehen, Lord Wyndham. Ich habe gesehen, wie Eure Augen ganz dunkel wurden, wie Ihr die Zähne aufeinandergebissen habt. Ich weiß jetzt, was das zu bedeuten hat. Ihr findet mich so schön, dass Ihr es nicht aushaltet, in meine Richtung zu sehen.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke«, flüsterte sie. Dann mischte sie sich unter die Tanzenden. Sie war bereit, Wyndhams Suche wieder aufzunehmen. Die Zeit für ihren Frontalangriff würde kommen.
Sie lächelte glücklich und brachte einen Mann dazu, sie überrascht anzublinzeln und einen falschen Schritt zu machen, was seine Partnerin enorm verärgerte. Alicia schenkte ihm einen einladenden Blick hinter der keuschen Sicherheit ihrer Maske, dann lachte sie und ging weiter. Es waren mehr Männer denn je anwesend. Wenn sie Wyndhams Verschwörer heute Abend finden wollte, musste sie sich ranhalten.
Stanton beobachtete Alicia, wie sie mit dem Tänzer flirtete. Sie schaute sich nie nach ihm um, was wahrscheinlich auch besser war. Er hatte die Fäuste geballt, und sie war viel zu aufmerksam, als dass es ihr entgangen wäre.
Er konnte noch immer ihre Lippen auf seiner Wange spüren und den Druck ihrer vollen Brüste an seinem Arm, als sie sich an ihn gelehnt hatte. Er konnte noch immer ihr Haar riechen und das warme, feuchte Streicheln ihres Atems an seinem Ohr spüren.
Sein Auftrag schien ihm Tausende von Meilen entfernt und nur einem einzigen Gedanken gelang es, sich in seinem lustumnebelten Gehirn Gehör zu verschaffen.
Er war in allergrößten Schwierigkeiten.
Als Prinz George ihm von der anderen Seite des Saales aus zuwinkte, ging Stanton zu ihm hin. Der Mann, der jetzt sein Herrscher war und eines Tages sein König wäre, schenkte ihm ein wissendes und nicht gänzlich freundliches Lächeln. Stanton verbeugte sich. »Hoheit?«
»Ihr vernachlässigt Eure Pflichten als Herrscher der Unordnung«,
erinnerte ihn George. »Es ist an der Zeit, das Motto für die Feierlichkeiten dieses Abends zu setzen.«
Stanton wartete. George hatte nichts Gutes im Sinn, so viel konnte er erkennen.
»Das gestrige Motto hat mir sehr gut gefallen. ›Sagt die Wahrheit.‹ Brillant.«
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