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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bevor der Arzt es für angebracht hielt, weil ich es einfach nicht aushielt.«
    Monk konnte sich das lebhaft vorstellen. Runcorn, der sich mit einem guten Buch entspannte, war fast ein Widerspruch in sich. Wieder hatte er Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken.
    Runcorn sah es und warf ihm einen wütenden Blick zu.
    »Mitgefühl!«, sagte Monk schnell. »Hatte mal die
    Rippen gebrochen, wissen Sie noch?«
    Runcorn grunzte, und sie gingen schweigend weiter, bis sie zur Acton Street kamen, wo sie um die Ecke bogen.
    »Hätte keine Lust, eine Dame zu sein«, sagte er nachdenklich. »Nehme an, ich würde lieber was zu tun haben … außer natürlich, ich würde nichts anderes kennen.« Er versuchte, sich eine Welt vorzustellen, die so erschreckend leer war, und runzelte immer noch die Stirn, als sie den oberen Treppenabsatz erreichten und an Allardyces Ateliertür klopften.
    Es dauerte eine Weile, bis Allardyce ihnen die Tür aufmachte, wütend und verschlafen. »Was, in drei Teufels Namen, wollen Sie um diese Zeit?«, wollte er wissen. »Es ist nicht mal richtig hell! Haben Sie kein Zuhause?«
    »Es ist fast neun Uhr, Sir«, antwortete Runcorn mit missbilligender Miene. Er sah beflissentlich an der Hose vorbei, die Allardyce hastig übergezogen hatte, und an den Zipfeln seines Nachthemds, die darüber hingen. Seine Füße waren nackt, und er trat auf der kalten Treppe von einem Fuß auf den anderen.
    »Ich nehme an, Polizisten müssen um so eine unchristliche Zeit auf sein!«, sagte Allardyce gereizt. »Was wollen Sie denn noch? Sie kommen besser rein, denn ich bleibe nicht länger hier draußen stehen.« Er drehte sich um und ging hinein, wobei er die Tür für sie offen ließ.
    Runcorn folgte ihm, Monk einen Schritt dahinter. Es war niemand sonst im Atelier, aber an den Wänden stapelten sich Leinwände. Ein halbes Dutzend war in dem einen oder anderen Stadium der Entstehung – vier Porträts, eine Straßenszene und ein Interieur mit zwei Mädchen, die lesend auf einem Sofa saßen. Das Gemälde auf der Staffelei zeigte einen Mann mittleren Alters mit selbst- zufriedener Miene. Vermutlich eine Auftragsarbeit.
    Allardyce murmelte leise etwas und verschwand durch die andere Tür.
    Runcorn rümpfte ganz leicht die Nase. Er sagte nichts, aber sein Gesicht sprach deutlich von seinem Widerwillen.
    Monk ging zu einer Mappe hinüber, in der etliche Zeichnungen steckten, und schlug sie auf, Die erste Zeichnung war hervorragend. Der Künstler hatte nur mit Zeichenkohle gearbeitet, hatte jedoch mit einer außer- ordentlich ökonomischen Strichführung die unterdrückte Energie in den Gesichtern und Körpern von drei Frauen eingefangen, die sich über einen Tisch beugten. Die Würfel waren so unwichtig, dass es einen Augenblick dauerte, bis Monk sie überhaupt wahrnahm. Die ganze Leidenschaft lag in den Gesichtern, den Augen, den offenen Mündern, der schroffen Macht, die sie versteinerte. Spielerinnen.
    Er blätterte schnell um und sah sich das Nächste an. Noch einmal Spieler, aber diesmal der leere Blick der Verlierer. Es war packend, trostlos. Ein Heim oder ein Vermögen verloren durch das Umdrehen eines Stück bedruckten Kartons, alle Verzweiflung lag in ihren Augen.
    Die dritte Zeichnung war die einer schönen Frau, ihr Gesicht strahlte wie beim Anblick des Geliebten, ihre Augen blitzten, ihre Lippen waren geöffnet, aber es war eine Hand voll Karten, auf die sie blickte, eine Gewinnhand, doch die Farben verschwammen, waren bedeutungslos, während sie sich schon auf die nächste Runde freute. Der Sieg war so süß, und der Geschmack des Sieges war die Sache eines winzigen Augenblicks, und dann auch schon vorbei.
    Elissa Beck.
    Monk blätterte die restlichen Zeichnungen um und war sich bewusst, dass Runcorn hinter ihm stand und schweigend zuschaute.
    Es gab noch mehr Bilder von Elissa, einige so rasch skizziert, dass sie kaum mehr waren als eine Andeutung, ein Rohentwurf, aber mit so viel Kraft ausgeführt, dass die Gefühle einem ungefiltert vom Papier entgegensprangen – die Gier, die Aufregung, das Herzklopfen, der Schweiß auf der Haut, die angespannten Muskeln. Monk merkte, dass er den Atem anhielt, während er die Zeichnungen betrachtete.
    Hatte Runcorn Elissa erkannt? Monk spürte, dass ihm heiß und kalt wurde. Konnte Runcorn sich vorstellen, dass Allardyce so besessen von ihr war, dass er sie hergebeten hatte, um sie immer wieder zu malen? Nicht, wenn er nicht total naiv war. Diese Zeichnungen entstammten dem Leben;

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