Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
herab behandelt, ihn übergangen, als sei er es nicht wert, dass man ihm die Wahrheit sagte, aber er hatte ihm nie ins Gesicht gelogen. Das war feige. Vielleicht war Schweigen auch feige, aber es war das Einzige, was ihm übrig blieb.
    Runcorn zögerte, holte tief Luft und stieß sie wieder aus. Er wandte sich ab. »Mr. Allardyce!«, rief er.
    Allardyce erschien mit einem Becher Tee in der Hand in der Tür. Er war rasiert und angezogen, und er sah gefasst aus. »Was jetzt?«, sagte er verdrossen. »Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich nichts weiß. Zum Teufel! Glauben Sie wirklich, wenn ich wüsste, wer es war, würde ich es Ihnen verheimlichen?« Er machte mit einer Hand eine wütende Geste, und sein Tee schwappte über. »Sehen Sie sich an, was all das aus meinem Leben gemacht hat!«
    Runcorn unterließ es, die letzte Frage zu beantworten.
    »Die Schänke, in der Sie angeblich am …«
    »Das Bull and Half Moon«, ergänzte Runcorn. »Was ist damit?«
    »Wo ist die genau?«
    »Rotherhithe Street, in der Nähe des Southwark Park.«
    »Ziemlich weiter Weg, um ein Bier zu trinken?« Runcorn hob die Augenbrauen.
    »Deshalb blieb ich ja die Nacht über dort«, sagte Allardyce. »Zu weit, um nach Hause zu kommen, und es war eine scheußliche Nacht. Man hörte alle paar Minuten die Nebelhörner auf dem Fluss. Begreife nie, warum sie nicht viel öfter zusammenstoßen.«
    »Und warum so weit?«, fragte Monk.
    Allardyce zuckte die Schultern. »Hab gute Freunde dort. Wusste, dass sie mich, falls notwendig, aufnehmen würden. Wenn ich jedes Mal bei Nebel zu Hause bliebe, würde ich nirgendwo hingehen. Fragen Sie Gilbert Strother. Lebt in der Great Hermitage Street in Wapping. Weiß die Nummer nicht. Sie müssen fragen. Irgendwo in der Mitte. Auf der Tür ist ein Engel. Er hat eine Skizze von uns allen gemacht. Er kann’s Ihnen bestätigen.«
    »Das werde ich«, meinte Runcorn schmallippig.
    »Sehen Sie, ich kann Ihnen nichts Nützliches erzählen«, fuhr Allardyce fort. »Bei der Massenkarambolage in der Drury Lane wurde ein Freund von mir verletzt. Ich möchte ihn gerne besuchen gehen. Hat sich das Bein gebrochen, der arme Teufel.«
    »Was für eine Massenkarambolage?«, fragte Runcorn misstrauisch.
    »Die Pferde sind durchgegangen. Zwei Kutschen haben sich verkeilt, und ein Rollwagen wurde umgeworfen und verlor seine Last. Mindestens zwanzig Fässer sind kaputtgegangen – Rohzuckersirup! Meinte, er hätte noch nie in seinem Leben so eine Schweinerei gesehen. Die Drury Lane war den ganzen Abend blockiert.«
    »Wann war das?«
    Allardyces Züge verhärteten sich. »In der Nacht, in der
    der Mord geschah.« Er starrte Runcorn an, und plötzlich füllten seine Augen sich mit Tränen. Er blinzelte wütend und wandte den Blick ab.
    »Mr. Allardyce«, sagte Monk leise, »wen hat Mrs. Beck mitgebracht, wenn sie herkam?«
    Allardyce runzelte die Stirn.
    »Als Anstandsdame?«, fügte Monk hinzu.
    Allardyce stieß ein Lachen aus. »Eine Freundin, ein oder zwei Mal, aber sie kam nur bis zur Tür mit. Kenne ihren Namen nicht.«
    Sein Gesicht verdunkelte sich, seine Mundwinkel verzogen sich ein wenig nach unten. »Drei oder vier Mal hat sie den Mann hier getroffen. Das wissen Sie sicher?«
    »Welchen Mann?«, fuhr Runcorn ihn an.
    »Dunkel. Markantes Gesicht. Interessant. Hätte nichts dagegen, ihn mal zu malen, aber ich habe ihn nie kennen gelernt. Kenne seinen Namen nicht.«
    »Zeichnen Sie ihn! Auf der Stelle!«, befahl Runcorn ihm. Allardyce ging zu dem Tisch und griff nach einem Block
    und einem Kohlestift. Mit rund einem Dutzend Linien
    schuf er eine auf den ersten Blick erkennbare Skizze von
    Max Niemann. Er hielt sie Runcorn hin.
    »Max Niemann, Becks Verbündeter in Wien«, erklärte
    Monk ihm.
    »Warum haben Sie das nicht früher erwähnt?« Runcorn war wütend, sein Gesicht war mit dunkelroten Flecken marmoriert.
    Allardyce wurde blass. »Weil sie gute Freunde waren, oder mehr!«, erwiderte er, auch seine Stimme wurde lauter. »Und ich habe keine Ahnung, ob er an diesem Abend hier irgendwo in der Nähe war! Jedenfalls habe ich Elissa an jenem Abend nicht erwartet, sonst wäre ich zu
    Hause geblieben. Falls sie Niemann getroffen hat, dann nicht in meinem Atelier. Ich nehme an, der Mörder war ein ehemaliger Liebhaber von Sarah oder irgendwas in der Art, und Elissa kam einfach zum falschen Zeitpunkt herein. Vielleicht wollte sie sehen, ob das Porträt fertig war … oder so.«
    Runcorn warf ihm einen vernichtenden Blick zu,

Weitere Kostenlose Bücher