Gefährliches Geheimnis
Zofe mitgenommen hatte, und nach Haverstock Hill gehen, um diese aufzusuchen! Und dort gab es keine Kammerzofe. Ein Mann, der bis auf die Dinge, die der Gerichtsvollzieher stehen lassen würde, alles verkauft hatte, konnte sich keine Dienstboten leisten, die im Haus lebten. Die Putzfrau, die ihm beim ersten Mal die Tür aufgemacht hatte, war wahrscheinlich der einzige Dienstbote der Becks und kam sicher nur zwei- oder dreimal die Woche.
Ob Elissa jemanden aus dem Haus ihres Vaters mitgenommen hatte? Oder eine Freundin? Oder war sie tatsächlich allein hingegangen?
Aber die Frage, die Monk wirklich beschäftigte, war, wie er verhindern konnte, dass Runcorn herausfand, dass Elissa gespielt hatte, oder zumindest, in welch ruinösem
Ausmaß! Vielleicht konnte er das Unvermeidliche zumindest hinauszögern, aber Allardyce nach Elissas Begleitung zu fragen, wäre ebenso logisch, wie bei ihr zu Hause anzufangen. Monk beschleunigte seine Schritte. Er musste Runcorn finden, ihm diesen Vorschlag machen und ihn davon überzeugen, ihm zu folgen.
An der Kreuzung warf er rasch einen Blick in beide Richtungen und sprang zwischen einem Rollwagen und einem Gemüsekarren über die Straße. Er kam um zwanzig nach acht auf dem Polizeirevier an und ging direkt hinauf in Runcorns Büro.
Runcorn blickte auf, das Gesicht bewusst ausdruckslos. Er wartete darauf, dass Monk den ersten Schritt machte.
»Guten Morgen.« Monk verbarg ein Lächeln und sah Runcorn direkt in dessen kühle Augen. »Ich nehme an, Sie wollen noch einmal zu Allardyce gehen, um zu erfahren, wer Mrs. Beck begleitet hat. Ich würde mich Ihnen gerne anschließen.« Er überlegte, ob er ein »bitte« folgen lassen sollte, aber das wäre zu viel der Höflichkeit. Runcorn würde es ihm nicht abnehmen, sondern vielmehr Sarkasmus dahinter vermuten.
Runcorns Schultern entspannten sich ein wenig. »Ja, wenn Sie möchten«, sagte er beiläufig. Nur ein winziges Zucken verriet, dass er nicht überlegt hatte, an welchem Punkt er diese Erkundigungen aufnehmen sollte. »Es wäre sogar eine gute Idee«, fügte er hinzu und stand auf. »Wer könnte das sein, eine Zofe?«
»Pendreigh dachte an eine Freundin«, erinnerte Monk ihn. »Das könnte jede sein. Am einfachsten wäre es, zuerst Allardyce danach zu fragen.«
Runcorn runzelte die Stirn und nahm Hut und Mantel vom Kleiderständer neben der Tür. »Ich nehme an, der Nebel ist immer noch dick wie Erbsensuppe, und wir
kommen zu Fuß genauso schnell voran!« Es war keine richtige Frage, denn er wartete nicht auf eine Antwort.
Monk folgte ihm die Treppe hinunter und fiel auf der Straße neben ihm in Gleichschritt. Eigentlich wurde das Wetter kontinuierlich besser, und er konnte jetzt fast dreißig Meter in alle Richtungen sehen; gleichviel beschlossen sie zu gehen, statt aus dem stetigen Verkehrsstrom einen Hansom heranzuwinken.
»Wie viele Sitzungen braucht man überhaupt für ein
Porträt?«, fragte Runcorn nach ein paar Minuten.
»Ich weiß nicht«, räumte Monk ein, »Hängt sicher vom Stil und vom Künstler ab. Vielleicht übernimmt das Modell einen Teil der Sitzungen?«
»Sie sahen sich nicht sehr ähnlich.« Runcorn warf Monk einen Seitenblick zu. »Aber für das Kleid oder so würde das sicher keine Rolle spielen.« Er runzelte die Stirn.
»Was hat sie die restliche Zeit gemacht? Ich meine, jeden Tag? Die Frau eines Arztes … nicht gerade eine Dame, aber doch sicher zumindest Oberschicht.« Er hatte, ohne es zu wollen, Unkenntnis preisgegeben. Die Verwirrung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Sie hatte eigentlich nichts zu tun, oder?«
»Ich bezweifle es«, log Monk. Ohne Dienstboten im Haus hatte Elissa sicher den größten Teil der Hausarbeit erledigen, kochen und waschen müssen. Vielleicht gab es, da nur ein kleiner Teil des Hauses bewohnt wurde, aber auch nur sehr wenig, um das sie sich kümmern musste. Genug zu essen für Kristian, wenn er zu Hause war, und für sich selbst, wenn sie nicht mit Freunden ausging oder am Spieltisch saß. Vielleicht ließ Kristian seine Hemden im Krankenhaus waschen.
»Also?«, fragte Runcorn. Sie überquerten die Gray’s Inn
Road und wandten sich nach Norden. »Ich hatte mal
Bronchitis. Dauerte ewig, bis ich wieder meinen gewohnten Dienst antreten konnte. Die ersten zwei oder drei Tage genoss ich es. Dachte, aus vierzehn Tagen würde ich ziemlich viel rausholen. Trieb mich fast in den Wahnsinn! Hab mich mein Leben nicht so gelangweilt! Ging wieder zur Arbeit,
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