Gefährliches Geheimnis
diese Person sich oft trafen. Vielleicht jemand, mit dem sie gespielt hat …« Sie klang unsicher.
Eine oberflächliche Erinnerung kam Monk in den Sinn.
»Manche Menschen mögen Gesellschaft, besonders jemanden, der ihnen vermeintlich Glück bringt … und Imogen hatte Glück, zumindest bisher. Aber die Spielhalle will dem ein Ende setzen. Hester, wenn Charles sie nicht aufhalten kann, dann musst du das tun. Sie werden sie nicht weiter gewinnen lassen! Das Haus in der Swinton Street hat bereits genug von ihr.«
»Sie geht auch noch woandershin«, sagte Hester unglücklich. »Charles ist ihr in der Nacht, in der die Morde geschahen, gefolgt, die Drury Lane hinunter.«
»Drury Lane?«, sagte er mit einem eisigen Gefühl der
Angst. »Bist du sicher?«
»Ja. Warum? Gibt es dort keine Spielhallen?«
»Er war nicht in der Drury Lane in der Nacht, in der
Elissa umgebracht wurde.«
»Doch. Er hat mir gesagt …« Jetzt starrte sie ihn mit wachsendem Entsetzen an. »Warum?«
»Die Drury Lane war abgesperrt«, sagte er sanft. »Ein Rollwagen kippte um und verlor eine ganze Ladung Fässer mit Rohzuckersirup, von denen die meisten auf der Straße kaputtgingen.«
»Er sagte in die Richtung«, log sie. »Ich nahm an, er meinte die Drury Lane.« Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, während sie versuchte, Monks Worte aufzunehmen und ihre Gefühle vor ihm zu verbergen.
Die Soße in dem Topf dickte ein und wurde kalt, aber sie ignorierte es. Warum hatte Charles gelogen? Nur weil die Wahrheit gefährlich war? Er versuchte, entweder Imogen zu schützen oder sich selbst. Vielleicht dachte er, sie wäre in jener Nacht in der Acton Street gewesen, oder er wusste es, weil er selbst dort war. Sie sah sein aschfahles Gesicht und seine zitternden Hände vor sich, seine Angst und seine wachsende Panik. Die stabile, sichere Welt, die er so gewissenhaft um sich aufgebaut hatte, zerbrach. Dinge, die er für sicher gehalten hatte, wurden ihm aus der Hand gerissen. Sie erkannte, und der Magen drehte sich ihr dabei um vor Angst, dass sie es nicht für unmöglich hielt, dass er Elissa Beck umgebracht hatte, und dann Sarah Mackeson – die ungewollt Zeugin des Verbrechens geworden war.
Sie war sich kaum bewusst, dass Monk sie beobachtete, während die Gedanken in ihrem Kopf abscheuliche Formen annahmen. Sie erinnerte sich an den Brief, den Charles ihr gezeigt hatte. Er war noch oben in der untersten Schublade ihres Schmuckkästchens. Es war eine starke, klare Handschrift, aber nicht unbedingt die eines Mannes. Was, wenn der Mensch, der Imogen zum Spielen verlockt und sie auf ihren eigenen ruinösen Weg geführt hatte, Elissa Beck
gewesen war? Was, wenn Charles sie an jenem Abend zusammen gesehen hatte, Elissa gefolgt war und sie in Allardyces Atelier eingeholt hatte. Er könnte davon ausgegangen sein, dass sie dort lebte! Er hatte sie herausgefordert, angefleht, sie möge Imogen in Ruhe lassen. Sie hatte ihn ausgelacht. Es war bereits zu spät, Imogen retten zu wollen, aber vielleicht wusste er das nicht oder weigerte sich, es zu glauben. Sie hatten gestritten, und er hatte fester zugepackt, ohne zu merken, wie fest.
Dann war Sarah aus ihrer Benommenheit erwacht und ins Zimmer getaumelt, um zu bezeugen, was passiert war, und hatte angefangen zu schreien oder sich sogar auf ihn gestürzt. Er hatte versucht, sie zum Schweigen zu bringen
… und die gleiche rasche Handbewegung, diesmal mit
Absicht …
Nein! Das war Unsinn! Sie musste zu Kristian gehen und einen Brief von Elissa suchen und ihn mit der Handschrift vergleichen.
Das würde die Sache klären! Es konnte unmöglich Charles sein! Er besaß nicht die körperliche Gewandtheit und die Entschiedenheit, geschweige denn die Kraft.
Das alles war erdrückend und erniedrigend. Sie kannte diese Seite an ihm überhaupt nicht. Sie hatte keine Vorstellung davon, wie heftig seine Leidenschaften unter dem kontrollierten Äußeren waren. Das ruhige Gesicht des Bankmenschen konnte alles Mögliche verbergen!
Monk sprach ruhig mit ihr, und sie nickte, ohne zuzuhören. Wenn Imogen Charles zu so etwas getrieben hatte, würde sie jetzt zu ihm stehen, falls Runcorn anfing, Fragen zu stellen, zu sondieren und das Netz um ihn enger zu ziehen? Was, wenn er verhaftet, womöglich sogar vor Gericht gestellt wurde? Würde sie aufhören, zu spielen und stark und loyal zu ihm stehen? Oder würde sie
zusammenbrechen, schwach, verängstigt, in hohem Maße selbstsüchtig? Wenn sie das tat, würde Hester
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