Gefaehrliches Schweigen
mitkommen.“
Wir waren angelangt. Sie ging die Treppe zum Haus hoch und wandte sich zu mir um.
„Mir kann niemand helfen!“
Die Katze in ihren Armen versuchte sich zu befreien, aber Natalie hielt das zappelnde Tier fest an sich gedrückt. Weil sie nicht aufmachte, nahm ich an, sie wolle mich nicht wieder ins Haus lassen, doch sie deutete mit dem Kopf auf ihre Tasche.
„Der Schlüssel liegt dadrin.“
Ich angelte den Schlüssel für sie heraus und schloss auf.
Erst als die Tür zu und abgeschlossen war, riskierte sie es, die Katze herunterzulassen. Mit einem Satz verschwand Molly ins Haus hinein.
„Bitte, Natalie, erzähl mir, was los ist!“, bat ich sie. „Sie sind auch hinter mir her. Sie haben mich schon direkt angerempelt und vor meinem Haus Wache gehalten.“
„No shit, Sherlock! Das hast du dir selbst zuzuschreiben, Miss Detective !“
Es kränkte mich zwar, dass sie mich so verhöhnte, doch dann schluckte ich meinen Ärger.
„Was wollen die eigentlich?“
„Das möchtest du also wissen!“, schnauzte sie mich an. „Und helfen willst du auch! Null Chance, kann ich dir bloß sagen! Niemand, kapierst du, niemand kann sich gegen die wehren. Jimmy und Stoffe sind nicht allein. Da gibt’s noch andere.“
„Und die haben deine zweite Katze geholt?“
Sie seufzte tief und verschwand in eine andere Welt. Ich wartete geduldig. Sie schluckte ein paar Mal, bevor sie den Kopf hob und mich ansah.
„Missa war die liebste Katze, die es gab … Sie haben sie gefoltert …“
Es wurde still.
Dafür war ich dankbar. Mehr wollte ich nicht hören.
„Und darum muss ich den Mund halten und tun, was sie verlangen“, sagte sie mit etwas festerer Stimme. „Sonst holen sie auch noch Molly. Und danach bin ich selbst an der Reihe. Verstehst du?“
Ich schüttelte stumm den Kopf, obwohl ich begriff, dass sie keine Antwort erwartete.
„Aber deine Eltern müssen sich doch gewundert haben, als die Katze verschwand.“
„Ich hab behauptet, sie wäre entlaufen. Wir haben in der Nachbarschaft Handzettel aufgehängt, obwohl ich schon wusste … Also hör mit dem Gelaber auf, du könntest mir helfen! Pass lieber auf deinen eigenen Hund auf …“
Sie weinte leise.
Ich stand in der Diele und versuchte zu verdauen, was sie gesagt hatte. Nicht nur Jimmy und Stoffe. Sie hatten Natalies Katze umgebracht. Sie gefoltert.
Aber warum?
„Was wollen die denn?“
Natalie schnäuzte sich und seufzte.
„Geld. Anfangs fünfzig Kronen, und damit rückt man irgendwann auch raus, weil man sich Prügel ersparen will. Aber dann wollten sie mehr. Geld, Zigaretten, Süßigkeiten, meinen neuen MP3-Player, den Schmuck meiner Mutter …“
„Was würde passieren, wenn du Nein sagst?“
„Das hab ich doch getan. Und da … haben sie … Missa geholt.“
Ich glaubte, sie würde wieder in Tränen ausbrechen, doch sie biss die Zähne zusammen.
„Und wenn du sie bei der Polizei anzeigst?“, fragte ich, nachdem sie sich gefasst hatte.
„Weswegen denn? Ich bin doch diejenige, die Sachen klaut und irgendwann erwischt wird. Die tun ja gar nichts.“
Ich dachte an Marko, der eine CD geklaut hatte, während die anderen bloß zuschauten. Und er war es gewesen, der die Tasche mit den gestohlenen Klamotten aus dem Laden geschleppt hatte. Nicht die anderen.
Es war ein richtig abscheulicher Plan. Sie ließen andere den Job machen und die Risiken eingehen. Wer erwischt wurde, war selber schuld. Die Drahtzieher kämen ungeschoren davon. Sie hatten ja nichts getan, genau wie Natalie sagte.
Ich versuchte die Puzzleteilchen zu einem größeren Ganzen zusammenzufügen, um dahinterzukommen, wer alles in der Sache mitmischte, als Natalie meine Gedanken unterbrach.
„Du musst mir versprechen, kein Wort zu verraten!“
Ihre Augen hatten einen flehenden, aber zugleich harten Ausdruck. Sie fixierte mich mit starrem Blick.
„Aber …“
„Versprich es! Wenn du es nicht für mich tun willst, dann wenigstens für dich. An niemanden auch nur ein Sterbenswörtchen! Du wirst es bereuen, wenn du nicht den Mund hältst!“
„Ich lass mich nicht gern unter Druck setzen.“
„Wer tut das schon, verdammt noch mal!“
„Aber die Polizei …“
„Dann wird alles nur schlimmer, Svea.“
Ich seufzte.
„Ich muss es mir noch überlegen.“
„Sag mir wenigstens rechtzeitig Bescheid, bevor du redest.“
„Was willst du dann machen?“
„Molly nehmen und fliehen.“
Ich lachte kurz auf.
Dann sah ich ihr Gesicht.
Sie meinte es
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