Gefährliches Spiel der Versuchung
Rheumatismus erlaubt ihm dergleichen nicht mehr.«
Orlov unterdrückte ein Grinsen und trat hinter der halb geöffneten Tür hervor. »Darf ich vielleicht meine Hilfe anbieten, Lady Octavia?«
Lady Sylvias Ärger schwand, als sie den Blick über die Person gleiten ließ.
»Es lasten bereits genügend Verpflichtungen auf Ihren Schultern, Mr. Oliver. Auch ohne dass Sie gebeten worden sind, den Diener meiner Gäste zu spielen«, erwiderte die Witwe.
»Nun sagen Sie schon, welche Verpflichtungen?«, hakte Lady Sylvia nach und lächelte ihr erstes aufrichtiges Lächeln.
»Mr. Oliver wurde als Lehrer für Scottie engagiert«, zischte die Witwe, drehte sich zu Orlov und mäßigte ihren Tonfall ein wenig. »Sie brauchen nicht zu befürchten, dass die Gästeschar den üblichen Unterricht unterbrechen wird. Angus nimmt die Ausbildung seiner Kinder sehr wichtig und wünscht keinerlei Störungen.«
Orlov verbeugte sich kurz.
»Angus hat in seinem Brief nicht erwähnt, dass er einen Lehrer angeheuert hat.« Beiläufig zupfte Lady Sylvia sich die Handschuhe von den Fingern. Der strenge Zug um ihren Mund bewies, dass sie nicht ganz so entspannt war, wie sie es vorgab.
»Nicht einen, sondern zwei«, ergänzte Lady Octavia. »Eine Gouvernante für Emma begleitet Mr. Oliver aus London. Und genau wie er kann Miss Sloane beste Empfehlungen vorweisen. Angus hätte sich selbstverständlich auf nichts Geringeres eingelassen.«
Lag es am flackernden Licht, oder huschte da wirklich ein Hauch von Missbehagen über die Stirn der jungen Lady? »In der Tat, er nimmt die Erziehung der Kinder wirklich außerordentlich ernst.« Sie drückte sich die Hand auf die Brust. Rubine und Smaragde blitzten an ihren Fingern.
Ich muss schon sagen, beobachtete Orlov stumm, für eine Lady, die weder Flügel hat noch fliegen kann, schillert das Gefieder allerdings in den prächtigsten Farben.
»Ich hoffe, dass man den Kindern eine Atempause gönnt, damit sie ein wenig Zeit mit ihrer Tante verbringen können und nicht nur mit den Büchern.« Ein Seufzer unterstrich ihre Bitte. »Du weißt doch, wie sehr ich in Westcott und Emily vernarrt bin!«
Rrrumms. Trotz ihres Alters war die Witwe in der Lage, ihren Stock mit beachtlicher Kraft auf den Boden zu stoßen. »Ich bin überzeugt, dass Pres -cott undEm -ma höchst erfreut sein werden, solche Ergebenheit bei einer Verwandten zu entdecken, die sie seit mehr als drei Jahren nicht mehr gesehen haben.«
Rote Flecken zierten Lady Sylvias elegante Wangenknochen.
Die Witwe hatte zwar zuerst den Dolch gezückt, aber Orlov unterschätzte ihre Gegnerin keineswegs. Obwohl die hübsche Lady Sylvia St. Clair sehr verhätschelt wirkte, erweckte sie den Anschein einer Person, die nicht so leicht die Waffen streckte. Allerdings war es nicht so, dass Orlov Stärke in ihren Augen entdeckte hatte, sondern vielmehr Angst.
»Hmm! Wir sollten nicht länger hier in der Tür herumstehen. Meine alten Knochen können weder Kälte noch Feuchtigkeit so gut vertragen wie einst.«
Orlov nahm das Schnauben als Signal zum Rückzug, befürchtete, dass der heftige Schwung des Spazierstocks sonst bald ihm gelten mochte. Schließlich hatte er nicht Absicht, es sich mit der alten Lady zu verscherzen. »Wenn ich behilflich sein kann, Mylady«, murmelte er.
»Ach, Octavia, es entspricht doch sicher auch deinem Wunsch, dass Mr. Oliver uns nützlich ist?« Lady Sylvia drehte sich um und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Wenn wir Sie einen Moment belästigen dürften?«
»Nun machen Sie schon«, schnappte Lady Octavia. »Sie können ebenso gut bei der Einrichtung helfen, während ich die Köchin über die Ankunft der Gäste benachrichtige. Rawley wird Ihnen den Weg zu den Gästezimmern zeigen. Der Tee wird im Salon serviert.« Dann stampfte sie in einer Geschwindigkeit davon, die Orlov ein schwaches Lächeln auf die Lippen zauberte.
»Die alte Giftspritze!« Lady Sylvias Gemurmel verscheuchte sein Amüsement. »Sie ist noch schrecklicher als je zuvor. Du liebe Güte, ich muss mich wundern, dass Angus dumm genug ist, ihr die Sorge um die Kinder anzuvertrauen.«
»Es macht nicht den Eindruck, als würde sie sich über den Besuch freuen.« Genau wie die anderen Gäste hatte Lord Jervis bisher taktvoll geschwiegen. Jetzt schüttelte er sich den Umhang von den Schultern und warf ihn achtlos auf einen der geschnitzten Stühle. Der Mann war groß und gepflegt; aber in seinen manikürten Fingern und den attraktiven Gesichtszügen lag
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