Gefährliches Spiel der Versuchung
Die Szene, deren Zeuge er geworden war, warf eine Reihe unangenehmer Fragen auf.
Er würde Augen und Ohren offen halten müssen, um zwischen den Zeilen zu lesen.
»Hier wohnt die Lady, Mr. Oliver«, erklärte Rawley. Nachdem er die Treppe hinaufgestiegen war, klang seine näselnde Stimme ein wenig atemlos. »Die Zimmer für die Gentlemen liegen ein Stück geradeaus.«
Orlov stellte den Koffer vor einen gestrichenen Kiefernschrank und trat zur Seite, als Jervis die Lady in ihr Zimmer begleitete. Nach kaum merklichem Zögern setzte De Villiers den Weg mit dem Butler fort, durchschritt eine Reihe Türen, bis er am Ende des Flures angekommen war.
»Ich hatte beinahe vergessen, wie schrecklich rustikal das Anwesen ist«, meinte Sylvia atemlos. »Andererseits hat es Lady Octavia schon immer an Raffinesse gefehlt.«
»Vielen Dank, Mr. Oliver.« Jervis schickte ihn mit einem Blick fort. »Die übrigen Taschen gehören in meine Kammern. Und passen Sie bitte auf. Es sind mehrere Schnupftabakdosen aus Porzellan darin verstaut, die außerordentlich zerbrechlich sind.«
Der Spiegel zeigte eine Gestalt von lässiger Eleganz ... ein Eindruck, der durch die Pose eines Gentlemans noch verstärkt wurde. Der Mann lehnte sich mit einer Schulter an den geschnitzten Bettpfosten und kreuzte die Beine. Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar und kämmte sich seine Locken modisch zurück.
»Oh, anschließend sind Sie bitte so freundlich, dem Kutscher mit dem restlichen Gepäck zu helfen«, fügte er hinzu. »Die Kutsche mit unserer Dienerschaft verspätet sich wegen eines Rades, das heute Vormittag gebrochen ist. Sie wird frühestens in ein oder zwei Stunden eintreffen.«
Orlov nickte zum Einverständnis und zog sich zurück, blieb aber draußen vor der Tür stehen, um die Schnalle am Koffer des Gentlemans neu festzurren. Wie erwartet, nutzte Lady Sylvia die Gelegenheit, ihre Klagen vorzubringen.
»Vielleicht war es am Ende doch keine gute Idee«, murmelte sie. »Ich hatte gehofft, dass das Alter und die beginnenden Unpässlichkeiten Lady Octavia ein wenig weicher gestimmt hätten. Aber sie gibt die alte Giftspritze, die sie schon immer gewesen ist.«
»Mir ist noch nie jemand begegnet, der für deinen Charme unempfänglich ist«, bemerkte Jervis. »Du solltest nicht so früh die Waffen strecken.«
Die Antwort konnte Orlov nicht verstehen.
»Gibt es eigentlich einen Grund für das böse Blut zwischen euch?«, fuhr der Gentleman fort.
»Im Grunde genommen kann die Witwe niemanden ausstehen! Aber ich glaube, gegen mich hegt sie einen besonderen Groll, weil ich in den höchsten Kreisen der Gesellschaft willkommen geheißen werde ... und sie hingegen nicht.«
»Tatsächlich? Das hattest du bisher nicht erwähnt.« Jervis drängte sie, noch mehr zu verraten. »Kannst du dir vorstellen, warum es so ist?«
»Wegen eines jugendlichen Fehltritts.« Eine boshafte Befriedigung war in Lady Sylvias Stimme zu hören. »Und sie wagt es tatsächlich, über mein Treiben in der Stadt die Nase zu rümpfen.« Orlov hörte, wie sie ihr Handtäschchen auf die Frisierkommode plumpsen ließ. »Ich war nicht gezwungen, die Stadt unehrenhaft zu verlassen. Man sagt, dass ihre Familie keine andere Wahl hatte, als sie an einen haarigen, ungläubigen Schotten zu verheiraten, und zwar ohne Rücksicht auf seinen niederen Titel und darauf, dass er nur dieses gottverdammte Anwesen besaß.«
Ein gottverdammtes Anwesen, das zu besuchen die junge Lady trotz großer Strapazen beschlossen hatte. Orlov verzog das Gesicht. Die Neuigkeiten tauchten die Mission ein weiteres Mal in ein anderes Licht. Unmöglich zu sagen, ob es sich um bedeutungsvolle Informationen handelte oder nicht ... Aber zum gegebenen Zeitpunkt durfte er nichts außer Acht lassen.
»Ärger, Monsieur Oliver?«
»Nichts, womit ich nicht selbst zurechtkäme.« Er stand wieder auf, absichtlich so langsam und bedächtig, dass er ein Fünkchen Zorn in den Augen des Comte provozierte. »Sehen Sie ... die Schnalle ist jetzt wieder so gut wie neu.«
»Sie sind immer so geschickt mit den Händen?« Es klang mehr nach einer Frage als nach einer Behauptung.
»Not macht erfinderisch.« In seinem Beruf hatte Orlov schon viele Rollen gespielt, aber die des Agent Provocateur war ihm wirklich wie auf den Leib geschneidert. Zahlreiche Leute, Shannon eingeschlossen, würden ihm zustimmen, dass er ein echtes Talent besaß, andere zur Weißglut zu treiben. »Und ich mag es, Dinge zu reparieren.«
»Dann
Weitere Kostenlose Bücher