Gefährliches Spiel der Versuchung
zu beginnen. Der ältliche Lakai Euan führte Lord Jervis und den Comte auf den Dachboden. Schon bald kehrten sie zurück, den Arm voll starker Bogen aus Eibenholz und lederner Köcher voller Pfeile.
»Du liebe Güte, die sind bestimmt schon in der Schlacht von Culloden eingesetzt worden!«, witzelte Lord Talcott. »Gegen unsere Vorfahren. Sie sehen aus, als könnten sie sogar noch eine Rüstung durchbohren.«
»Das haben sie bestimmt auch. Die Schotten können auf eine recht blutrünstige Geschichte zurückblicken«, meinte der Comte.
»Weder die Engländer noch die Franzosen können eine weiße Weste vorzeigen, was Kriege und Gewalt betrifft.« Orlov betrat die Halle und verbeugte sich in Richtung der Damen, bevor er hinzufügte: »Man muss sich nur die gegenwärtige Auseinandersetzung anschauen.«
»Mr. Oliver, sind Sie zufällig ein Quäker?«, hakte Jervis in stichelndem Tonfall nach. »Denn Sie erwecken irgendwie den Eindruck, als gehörten Sie zu den Männern, die jeder kämpferischen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen.«
»Leider nein. Obwohl ich die Geduld und Friedfertigkeit dieser Menschen bewundere, bin ich der Auffassung, dass Gewalt manchmal ein notwendiges Übel ist.«
Lady Sylvia lächelte zustimmend. »So empfindet ein wahrer Gentleman, Mr. Oliver. Es ist schwer, in Ihren Gedanken einen Makel zu entdecken.«
Jervis errötete, während der Comte sich über irgendeinen privaten Witz zu amüsieren schien. Talcott, der überhaupt nicht glücklich schien, dass man ihn vor der Mittagszeit aus dem Bett geholt hatte, brummte verdrossen. »Sind wir so weit?«
»Ja. Du könntest Arnaud und Randall mit den Bogen helfen, während wir Ladys uns um die Picknickkörbe bemühen, die die Köchin zusammengestellt hat.« Sie drehte sich um und hielt genau so lange inne, wie es brauchte, um einen schüchternen Blick auf Orlov zu werfen. »Nun, Mr. Oliver, da Sie sich entschlossen haben, auf unserer Seite zu stehen, wäre es sehr freundlich, wenn Sie uns zur Hand gingen.«
Lady Sylvia schien eine diebische Freude dabei zu empfinden, bei ihren Freunden aus London heute Morgen für schlechte Laune zu sorgen. Orlov war der Grund nicht ganz klar. Aber da es ihm im Moment in den Kram passte, erhob er keinerlei Einwände gegen seine Rolle.
»Es wäre mir ein Vergnügen«, erwiderte er und bot ihr den Arm mit einer Verbeugung, ohne dass ihm der schmutzige Blick entging, den Jervis ihm zuwarf.
Und Annabelle. Kein Zweifel, dass Robert Talcotts notorischer Griff zur Flasche durch seine jüngste Schwester noch schlimmer gemacht wurde. Sie war ein Teufelsweib, ließ ihrem halb jugendlichen, halb erwachsenen Zorn und der Frustration freien Lauf. Es lag auf der Hand, dass sie überzeugt war, die Männer sollten ihr zu Füßen liegen. Offenbar fachte es ihre Wut an, dass die Reisegesellschaft einer alternden Witwe und einer spröden Gouvernante mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihr.
Während er Lady Sylvia in die Küche begleitete, mahnte Orlov sich, dafür zu sorgen, dass er ein paar Minuten allein mit dem Mädchen verbringen konnte. In ihrer gegenwärtigen Stimmung könnte sie leicht zu bewegen sein, anderen Menschen vertrauliche Einzelheiten zu verraten.
Die Gelegenheit ergab sich beim Spaziergang durch den Obstgarten. Annabelle schmollte immer noch kindisch und weigerte sich, mit den anderen zwei Ladys Schritt zu halten. Unter dem Vorwand, prüfen zu wollen, dass sich tatsächlich wie versprochen ein Holzbrett und ein Messer in dem letzten Korb befanden, ließ er sich zurückfallen und wartete im Schatten des ummauerten Kräutergartens auf sie.
»Leider musste ich feststellen, dass Sie sich kaum für den kommenden Wettbewerb begeistern können, Miss Annabelle. Ist Ihnen nicht besonders wohl?«
»Ich bin überrascht, dass Sie überhaupt etwas anderes bemerkt haben als Lady Sylvias Ausgehkleid«, erwiderte sie reichlich schnippisch. »Nun, eine Lady im vorgerückten Alter sollte wirklich darauf verzichten, solche tief geschnittenen Mieder zu tragen.«
»Wenn eine Lady ihre Blütejahre hinter sich gelassen hat, ist sie gezwungen, zu verzweifelten Maßnahmen zu greifen«, murmelte Orlov.
»In Ihren Augen scheint sie nicht dem vertrockneten Laub am Weinstock zu ähneln.« Ihre Stimme klang immer noch mürrisch.
»Es ist meine Pflicht, höflich zu sein. Als Bediensteter kann ich es mir kaum erlauben, die Verwandtschaft meiner Dienstherrn zu beleidigen.«
Annabelles Miene hellte sich auf, als sie über seine Worte
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