Gefährliches Spiel der Versuchung
kann Ihnen versichern, dass er ...«
»... ein Freund ist und kein Feind.«
Shannon drehte sich um und entdeckte Orlovs Silhouette im Türrahmen.
Er trat ins Zimmer und zog die Tür zu. »Und genau wie meine zauberhafte Kollegin kann ich keine offiziellen Beweise meiner Vorgesetzten in Sankt Petersburg für meine Gesandtschaft vorlegen.« Er hob die Kerze, allerdings nur so weit, dass man das Zwinkern der goldblonden Wimpern über seinen Augen erkennen konnte. »Wenn ich es so ausdrücken darf.«
Die dürren Schultern der Witwe entspannten sich. Sie ließ die Waffe sinken. »Warum haben Sie die Karten nicht gleich zu Anfang auf den Tisch gelegt?«
»Wir haben strikten Befehl, Sie nicht in Sorge zu stürzen«, erklärte Orlov.
Die Lady machte ein unschönes Geräusch. »Als ob Ihre nächtlichen Streifzüge keinen Anlass zur Sorge geboten hätten, junger Mann! Obwohl ich mir durchaus Gedanken gemacht habe, ob Sie beide es nicht nur darauf abgesehen haben, Ihre amourösen Machenschaften zu verbergen.«
»Bedauerlicherweise ist meine Kollegin der Auffassung, dass dieser Einsatz rein dienstlich ist und kein Vergnügen.«
Shannon war dankbar, dass das Dämmerlicht die Röte auf ihren Wangen verbarg. »Wie Sie sehen, besitzt Mr. Orlov, das heißt Mr. Oliver, glücklicherweise genügend Verstand für uns zwei. Aber wie dem auch sei, die Lage insgesamt ist wenig vergnüglich.«
Orlov setzte eine nüchterne Miene auf. »Nein, allerdings nicht. Mylady, es könnte sein, dass Ihnen und den Kindern ernste Gefahr droht.«
»Das habe ich bereits vermutet.« Lady Octavias graue Augen schimmerten noch heller. »Von Sylvia, diesem Flittchen?«
Shannon und Orlov wechselten Blicke. »Das können wir nicht mit Sicherheit sagen.«
»Und was können Sie sagen?«
Shannon zögerte, aber Orlov zuckte nur die Schultern. »Die Geheimniskrämerei ergibt keinen Sinn mehr.« Er trat einen Schritt näher zur Witwe und senkte die Stimme, bis er nur noch leise murmelte. »Die Franzosen setzen alles daran, die Arbeit Ihres Sohnes für das britische Militär zu unterbinden. Sie haben einen ihrer besten Agenten darauf angesetzt, hierherzukommen.«
»Um die Kinder zu entführen?«, fragte Lady Octavia.
»Oder schlimmer«, antwortete Shannon. »Um offen zu sprechen, wir glauben, dass ihm jedes Mittel recht sein wird, McAllister aus dem Weg zu räumen.«
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Orlovs Profil im Mondlicht schärfere Konturen annahm.
»Wir übertreiben die Gefahr keineswegs, Mylady«, sagte er. »Monsieur D'Etienne ist ein gewissenloser Mörder.«
»Hmm.« Lady Octavia blinzelte, prüfte die Pistole. »Dann sollten wir sicherstellen, dass er niemals die Gelegenheit haben wird, seine schmutzige Arbeit zu Ende zu bringen.«
»Genau. Wir sind bereits fleißig gewesen, um solche Dinge zu verhindern.« Orlov lächelte sanft, ließ seine Worte ein wenig weicher klingen. »Es ermutigt Miss Sloane und mich, dass wir im Zweifelsfall auf Ihre Schießpulvervorräte zurückgreifen können. Aber einstweilen möchten wir Sie bitten, es uns zu überlassen, in den Angriff überzugehen.«
Zögernd legte die Witwe die Pistole zur Seite. »Nun, Sie erwarten wohl, dass ich mich unseren Gästen gegenüber so verhalte, als wäre nichts geschehen.«
»In uralten Zeiten hat ein Chinese ein kleines Büchlein geschrieben, das immer noch als Bibel der Kriegskunst betrachtet wird, Mylady«, meinte Shannon. »Eines seiner Gebote lautet: Verhalte dich ruhig und operiere im Verborgenen.«
»Und wenn ich mich recht entsinne, lautet ein anderes: Beweise deine Unfähigkeit, obwohl du fähig bist.« Nachdenklich schwieg Lady Octavia. »Angus bewundert Sun Tzu ebenso sehr wie Sie, Miss Sloane. Auch ich bin überzeugt, dass die Gedanken des alten Mannes sehr vernünftig sind. Selbst wenn er nur ein ungläubiger Ausländer war.«
»Nun, im Interesse der Eintracht unter den Völkern schlage ich vor, dass wir den Rat unseres Verbündeten beachten«, meinte Orlov.
»Ich werde mein Bestes geben«, verkündete die alte Lady feierlich.
»Genau wie wir, Mylady.« Shannon unterdrückte einen Schauder, als sie den Flintstein vorsichtig vom Bolzen der alten Feuerwaffe löste. »Genau wie wir.«
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15. Kapitel
A lles drehte sich um Waffen, als der Trupp aus London am nächsten Morgen darauf bestand, gleich nach dem Frühstück mit den Vorbereitungen für den Wettbewerb im Bogenschießen
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