Gefährliches Spiel
das Wissen die ganze Zeit irgendwo in ihrem Hinterkopf gewesen war, wie dicke, dunkle Wolken am Horizont, so war es doch nur zu leicht gewesen, es zu vergessen. Zu vergessen, dass dies alles nur von kurzer Dauer war.
Für sie war es nicht von kurzer Dauer. Sie hatte sich schnell und heftig verliebt. Dieses eine Mal. Sie hatte achtundzwanzig Jahre gebraucht, um die Liebe zu finden, und konnte sich nicht vorstellen, dass der Blitz sie erneut treffen würde. In ihrem Leben würde das nicht noch einmal passieren.
Der Fluch der Prewitts. In den dreihundert Jahren der Geschichte der Prewitts, die sie kannte, hatte es keine Scheidung und keine zweite Heirat gegeben. Die Prewitts waren wie Wölfe. Oder Tauben. Oder Schwäne. Sie paarten sich einmal und dann fürs Leben. Das war gut, außer man war einundzwanzig und verwitwet und verbrachte die nächsten siebzig Jahre damit, den Ehemann zu betrauern, wie ihre Ururgroßmutter es getan hatte.
Nick würde in sein Leben in Manhattan zurückkehren, das ohne Zweifel aufregend, schnell und voller faszinierender Dinge und Menschen war, und sie würde hierbleiben, sich um Onkel Franklin und Tante Vera und die Bücherei kümmern, jedes Jahr älter werden, mit nichts als den Erinnerungen an diese erstaunliche Woche, an der sie sich festhalten konnte.
In ihrem Inneren fühlte sie sich genauso grau und trübe wie das Wetter draußen. Aber sie war eine Prewitt. Und die Prewitts besaßen Stolz, wenn schon nichts anderes. Was auch immer Nick ihr gegeben hatte, er hatte ihr nichts versprochen, und sie hatte nicht das Recht, irgendetwas zu erwarten. Sie würde das Ende ihrer Affäre mit Würde tragen. Später hätte sie mehr als genug Zeit zu weinen.
Den Rest ihres Lebens.
Und so wandte sie sich ihm mit einem ausdruckslosen Lächeln zu, das ihr gebrochenes Herz verbarg.
„Was auch immer dich beschäftigt, Nick, du kannst es mir sagen.“ Es gelang ihr sogar zu lächeln. „Ich bin ein großes Mädchen. Ich kann es aushalten.“
Er wurde blass. Die rosige, gesunde Farbe seiner Wangen verschwand. Oh Gott. Es würde schlimm werden. Er wusste genau, wie sehr er sie verletzen würde, und es tat ihm weh.
Auch wenn sich ihr Magen voller Verzweiflung zusammenzog, deutete sie ein Lächeln an. Würde. Es war das Einzige, was ihr noch blieb. Sie hüllte sich darin ein, zwang ihre Hände, nicht zu zittern, zwang sich selbst, ihm direkt in die Augen zu sehen, zwang sich, um den Felsbrocken in ihrer Brust herumzuatmen.
Er holte scharf Luft, und sie konnte gerade noch ein Zusammenzucken unterdrücken, als er den Mund öffnete.
„Charity … ich muss dir etwas sagen.“
Sie nickte ernst. „Ja, Nick?“
„Charity, würdest du …“
Er wollte sie um einen Gefallen bitten, bevor er ging? Nun, was auch immer er wollte, es gab nur eine mögliche Antwort. Ja . Er war in ihr Leben gekommen, hatte sie verführt und verließ sie nun, aber sie würde keine Sekunde der letzten Woche ändern wollen. Sie hatte in den letzten sieben Tagen intensiver gelebt und gefühlt als in ihrem ganzen bisherigen Leben. Er hatte ihr Liebe gegeben. Und selbst wenn es nur für eine Woche war, war das doch mehr, als viele andere Leute je erlebt hatten. Alles, was in ihrer Macht stand, ihm zu geben, gehörte ihm.
Er drehte den Kopf und sah ihr direkt in die Augen. Die Muskeln an seinem Kiefer arbeiteten. Ihn umgab eine flirrende Energie, die sie nicht verstand und nicht zu ihm passte, seiner ruhigen Natur vollkommen fremd.
Ein weiterer hastiger Atemzug, und dann platzte es aus ihm heraus: „Charity Prewitt, würdest du mich heiraten?“
* * *
Es war das Einzige, was Nick einfiel, wie er sie beschützen konnte. Soweit das denn überhaupt möglich war.
Sein Eindringen in Worontzoffs Schlupfwinkel hatte die Dinge verändert, als hätte er das ruhige Gleichgewicht eines Sees gestört, der tiefer war, als er gedacht hatte, und die Monster aufgescheucht, die auf dem Grund wohnten. Er hatte geplant hineinzugehen, alles auszuspionieren und dann wieder zu verschwinden. Nichts, was er nicht schon hundertmal zuvor getan hatte. Das war schließlich sein Job.
Aber irgendetwas lief gerade absolut falsch, und er wusste nicht genau, was. Er wusste nur, dass es mit Charity zu tun hatte und dass es ihm eine Scheißangst einjagte – ihm, einem Mann, der nicht leicht Angst bekam.
Das Gefühl nahender Gefahr störte ihn nicht. Er hatte dieses gefährliche Leben selbst gewählt, und das unbewusste Wissen war der Kick für seine Sinne
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