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Gefährliches Spiel

Gefährliches Spiel

Titel: Gefährliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Marie Rice
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wahrscheinlich in wilden Wahnvorstellungen versunken war und Onkel Franklin allein damit fertig werden musste, konnte sie sich im Moment einfach nicht mit den Bedürfnissen ihrer Tante befassen.
    Sie konnte sich mit überhaupt nichts befassen. Das Einzige, was sie tun konnte, war, sich auf dem Sofa in einen gequälten Ball aus Trauer und Schmerz zusammenzurollen. Sie hatte nichts mehr in sich, was sie geben konnte.
    Alles in ihr war zerbrochen, kaputt. Sie konnte beinahe fühlen, wie ihr Brustkorb einfiel, eingesogen von dem Zusammenbruch ihres geborstenen Herzens. Jede Zelle ihres Körpers lehnte die Idee von Nick in dem steinigen, gefrorenen Boden ab. Eine Ansammlung von verkohlten Knochen statt ihres attraktiven, lebendigen Ehemanns. Sie hatte die letzten drei Tage damit verbracht, diese Vorstellung aus ihrem Körper herauszuwürgen. Aber wie häufig sich auch ihr Magen leerte, die Realität änderte sich nicht.
    Das Telefon klingelte wieder. Sie zählte zehn Klingeltöne, bevor der Anrufer auflegte, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Das Mobilteil lag direkt neben ihr – sie musste nur die Hand ausstrecken, das kalte Plastik ergreifen und den Knopf drücken, um es einzuschalten.
    Sie hörte eine metallisch klingende Stimme, hörte zu, dann wieder weg. Sie konnte nur ein Wort hier, ein Wort da aufschnappen. Furchtbar. Geschockt. All die üblichen Worte. Es tut mir so leid war wahrscheinlich auch irgendwo dabei.
    Es gab Antworten, die darauf erwartet wurden. Ein kleines Murmeln, mit dem sie sagte, dass sie durchhalte, dass der Schmerz mit der Zeit vergehen würde, vielen Dank für den Anruf.
    Die wenigen Male, bei denen sie vor der Beerdigung ans Telefon gegangen war, wollten – konnten – die Worte nicht herauskommen. Sie blieben einfach in ihrer Kehle stecken wie heiße kleine Messer, die sie zerschnitten.
    Das Telefon klingelte wieder.
    Ihre Hand blieb, wo sie war.
    Das Haus war kalt. Sie hasste die Kälte. Im Winter waren ihre Heizrechnungen astronomisch, weil sie wollte, dass ihr Haus gemütlich warm war. Sie machte bis weit in den Frühling hinein fast jeden Abend Feuer im Kamin.
    Aber jetzt war es kalt. Sie hatte nach der Beerdigung nicht die Energie gehabt, die Heizung hochzudrehen oder den Kamin anzumachen. Sie hatte nicht die Energie, überhaupt irgendetwas zu tun, außer als Häufchen Elend auf dem Sofa zusammenzubrechen.
    Das letzte Mal, als sie auf diesem Sofa gesessen hatte, hatte sie in Nicks Armen gelegen.
    Wenn man jemanden so plötzlich verlor, war es das Schlimmste und nahezu unmöglich, diese Tatsache überhaupt zu begreifen – vor allem wenn jemand so voller Leben gewesen war wie Nick. Vor gar nicht langer Zeit hatte sie auf dem Sofa gelegen, Nick auf ihr, der ihren Hals und ihre Brüste küsste.
    Sie griff nach einem der dicken Sofakissen und vergrub ihr Gesicht darin.
    Es roch noch immer nach ihm, nach Nick. Sie konnte das brennende Holz des lodernden Feuers riechen, das er entfacht hatte, sein Shampoo und seine Seife und diesen speziellen Duft, der einfach … er war.
    Wenn sie die Augen schloss, konnte sie fast glauben, dass er zurück war, der Mann, der in einer kurzen Woche ihr Liebhaber und dann verrückterweise ihr Ehemann geworden war.
    Ihr Ehemann.
    Der nun tot war.
    Mitternacht, 28. November
    Sechzig Meilen südlich von St. John, New Brunswick, Kanada
    Der Wor hatte gesagt, dass die Überquerung des Ozeans etwa eine Woche dauern würde, und er hatte recht gehabt. Natürlich.
    Arkady war Wissenschaftler. Die strenge Logik der Wissenschaft und die Tatsache, dass die Gesetze, die diese Welt regierten, durch den Verstand begriffen werden konnten, hatten verhindert, dass er im Gulag wahnsinnig geworden war. Aber wenn der Wor eines Tages aufwachen und behaupten würde, dass die Sonne im Westen aufgehe, dann würde Arkady aufstehen und im Westen nach der Sonne sehen.
    Er stand an Deck und genoss den ersten Hauch frischer Luft seit einer Woche. Sie hatten ihn vor einer Stunde hochgeholt, genau wie er es erwartet hatte. Ein leises Klopfen an dem stählernen Schott, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihr Ziel fast erreicht hatten.
    Jetzt näherten sie sich dem Land. Die Küstenlinie war dunkel, nur sichtbar, weil sie schwärzer war als der Ozean, der sie umgab und der das Licht der Mondsichel reflektierte. Dieser Teil der Küste war verlassen wie Sibirien. Niemand, der sie kommen sehen würde, niemand, der sie gehen sehen würde.
    Arkady atmete tief ein. Die Luft roch fast ausschließlich

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