Gefährliches Talent: Kriminalroman
hatte ganz vergessen, dass Sie lange Zeit in Italien zugebracht haben. Haben Sie schon mal von meinem Lokal gehört?«
»Ich glaube ja«, sagte Alix. »Stand nicht vor einiger Zeit was darüber im
Weekly
? Junge Künstler sollen ja über Leichen gehen, um bei Ihnen ausstellen zu dürfen.«
»Na ja, ich habe wechselnde Ausstellungen, stimmt, und ich bemühe mich, interessante Sachen zu zeigen, und die Künstler waren bis jetzt auch ganz zufrieden mit den Verkäufen. Den Gästen gefällt es anscheinend auch.«
»Ich wohne in Belltown, gar nicht weit von Ihrem Lokal, und ich wollte immer mal reinschauen, aber …« Aber bei den Preisen, die dort angeblich verlangt wurden, hätte sie für ein Glas Wein und ein bisschen Fingerfood so viel wie sonst für zwei Abendessen hingeblättert. »Na, Sie wissen ja, wie das ist«, war ihre lahme Ausrede.
»Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie mal vorbeikämen, Alix. Glauben Sie mir, ich mache mir nichts vor. Ich habe keine Ahnung von Kunst und ich freue mich schon darauf, etwas von Ihnen zu lernen.«
»Sie haben sicher mehr Ahnung, als Sie glauben. Sonst wären Ihre Ausstellungen nicht so erfolgreich.«
»Na, bis jetzt habe ich Glück gehabt«, sagte Chris, »aber ich kenne mich gut genug aus, dass ich diesen Cody Mack Burley – nennen wir ihn mal Liz’ neusten Schützling – nicht bei mir ausstellen will. Sie hatte mich dazu überredet. Ich hatte nur drei Fotos von seinen Bildern gesehen, die sie mir per E-Mail geschickt hatte, und die sahen auch ganz interessant aus. Also habe ich zugesagt, schließlich ist sie eine alte Freundin. Dann hat der arme Kerl sich wohl einen Wolf gemalt und fünfzehn Bilder produziert. Die hat Liz mir geschickt. Aber die waren ganz anders als die in der E-Mail. Sie gefielen mir einfach nicht. Überhaupt nicht«, fügte sie noch betonend hinzu.
»Nicht gut gemalt?«, fragte Alix.
»Na ja, das kann ich nicht so genau beurteilen, aber sie waren, na ja, grässlich. Absichtlich grässlich, wissen Sie? Seltsam verrenkte Frauen, irgendwie von innen nach außen gestülpt, sodass man ihre Eingeweide sehen konnte.« Sie schauderte. »Arrgh.«
»Sie haben sie also nicht ausgestellt?«
»Nein, ich habe sie sofort wieder eingepackt – mir nicht mal alle angesehen – und sie am selben Tag noch zurückgeschickt. Ich wollte die Bilder nicht mal in meiner Nähe haben. Liz hat nicht viel dazu gesagt. Was sollte sie schon sagen? Es ging schließlich um
mein
Lokal. Aber ich weiß, sie war gekränkt, und ich wollte es irgendwie wiedergutmachen. Und dann fiel mir wieder ein, dass Blue Coyote ab und zu Bilder von Georgia O’Keeffe anbietet, und eine Künstlerin wie die könnte ich mir als Einstieg für meine Sammlung vorstellen; meine Privatsammlung meine ich. Also habe ich sie gebeten, sich für mich umzuschauen und mir Bescheid zu sagen, falls etwas angeboten wird, das mir gefallen könnte. Und letzte Woche hat sie mich angerufen und gesagt,sie hätte eins, und hat mir ein paar nette Fotos geschickt. Ob ich interessiert wäre.«
»Klar waren Sie interessiert«, sagte Alix.
»Ja, sicher.« Sie wirkte einen Moment lang verunsichert. »Ähm … oder war das falsch?«
»Nein, überhaupt nicht. Ihre Freundin Liz mag bei diesem Cody Mack vielleicht falsch liegen«, sagte sie, »aber was Georgia O’Keeffe angeht, hat sie eine gute Nase bewiesen. Wenn Sie an amerikanischer Moderne interessiert sind, dann wäre so ziemlich jedes Bild von ihr eine fantastische Ergänzung für Ihre Sammlung … für jede Sammlung. Einen besseren Einstieg gibt es kaum.«
»Wirklich?« Chris’ Gesicht hellte sich auf und ihr Stirnrunzeln verschwand. »Sehen Sie? Ich bin jetzt schon froh, dass ich Sie engagiert habe.«
»Wissen Sie, woher sie dieses Bild hat? Wer es verkaufen will?«
»Nein, Liz kann es mir nicht sagen. Es ist wohl ein Erbstück, schon seit Jahrzehnten im Besitz der Familie, aber jetzt haben sie Geldprobleme. Sie wollen aber nicht, dass es publik wird.«
Bei Alix klingelten die Alarmglocken. Das war eine Variante der alten Geschichte, die betrügerische Kunsthändler schon seit Jahrhunderten auftischten:
Das Bild ist schon seit vielen Jahren im Besitz einer alten italienischen Familie aus einem berühmten Adelsgeschlecht. Leider macht die Familie schwere Zeiten durch und muss sich schweren Herzens von dem Bild trennen. Ihr Name muss allerdings geheim bleiben. Weil es so peinlich ist, verstehen Sie …
Chris bemerkte Alix’ veränderten
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