Gefährliches Talent: Kriminalroman
Rang und Namen hatte. Und es hatte einfach wunderbar funktioniert. Liz Coane hatte offenbar schon von ihm gehört (in der Kunstszene sprach sich anscheinend alles fast so schnell rum wie im Knast). Er hatte sich kaum hingesetzt, da merkte er schon, wie sie ihn abcheckte.
»Aber sag mal«, fragte er, »warum hast du denn angerufen? Gibt’s was Neues?«
»Oh ja«, sagte Jamie begeistert. »Du erinnerst dich doch noch an Geoffrey London, oder?«
»Wie könnte ich den vergessen? Wegen dem bin ich ja zu dieser merkwürdigen Spezialeinheit gekommen.«
Das war neun Jahre zuvor gewesen. Damals war er erst seit einem Jahr beim FBI und arbeitete in der New Yorker Dienststelle, wo er sich auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte. Die Art Squad in Washington hatte Unterstützung von einem Agenten angefordert, der sich in der New Yorker Kunstszene auskannte. Ted kam dafür am ehesten in Frage, denn er wusste ziemlich gut über Kunst Bescheid. Sein Vater hatte 1962 auf der Newbury Street in Boston den Kunst- und Antiquitätenhandel Ellesworth eröffnet und diesen bis 2004 geführt. Ted hatte dort drei Jahre lang während seines Studiums gearbeitet. Damit war er mehr als qualifiziert für die Art Squad und wurde sofort für eine kurzzeitige verdeckte Ermittlung herangezogen. Er spielte in der London-Affäre keine besonders wichtige Rolle, war aber fasziniert von der Welt, die sich ihm da auftat. Als er zwei Jahre später von einer freien Stelle bei der ArtSquad erfuhr, bewarb er sich darum. Und seitdem war er dabei. Er war mit seinem Beruf verheiratet, klagte seine Mutter manchmal, da ihr gut aussehender Sohn anscheinend keine feste Partnerin fand (und auch nicht wirklich suchte).
»Also … wusstest du, dass er schon seit einiger Zeit wieder auf freiem Fuß ist?«
»Nein.«
»Und dass er eine Tochter hat?«
»Auch nicht.«
»Und dass die Tochter in Europa bei einigen der Besten ›Restaurierung‹ studiert hat?«
»Ach, du meinst, sie tritt in die Fußstapfen ihres Vaters? Dass sie sich auf eine Verbrecherlaufbahn vorbereitet hat?«
»Ja, das ist mir durch den Kopf gegangen«, sagte Jamie. »Und wusstest du, dass besagte Tochter auf dem Weg nach Santa Fe ist? Und noch dazu in einem Privatflugzeug?«
»Jamie«, antwortete er geduldig, »wenn ich nicht wusste, dass er eine Tochter hat, woher soll ich denn dann wissen, wohin sie gerade unterwegs ist?«
»Sei doch nicht so. Ich versuche doch nur, ein bisschen Pep in dein Leben zu bringen und die Spannung zu steigern.«
»Das ist dir gelungen. Ich bin total verspannt.«
»Großartig. Möchtest du auch erfahren, warum sie gerade in diesem Augenblick nach Santa Fe düst?«
»Ja, schon, aber könntest du auch ein bisschen auf die Tube drücken? Ich muss nämlich wieder zurück.«
»Ach so, na gut. Und zwar düst sie deshalb gerade in diesem Augenblick nach Santa Fe, weil sie jetzt als ›Kunstberaterin‹ arbeitet – frag mich nicht, was das ist – und in Santa Fe die ›Echtheit‹ eines Bildes, das angeblich von Georgia O’Keeffe stammt, bestätigen soll, das anscheinend ganz plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht ist. Keine Angaben zur Provenienz, keine Verkaufsunterlagen, keine …«
»Das ist ja alles ganz interessant, aber ich glaube nicht …«
»Noch interessanter ist, welche Galerie dahintersteckt. Dreimal darfst du raten.«
»Aha. Blue Coyote?«
»Volltreffer.«
»Jetzt bin ich aber doch interessiert«, sagte er. »Wer hat sie denn engagiert? Liz Coane selbst oder der potenzielle Käufer?«
»Das weiß ich nicht. Es gibt einen potenziellen Käufer, aber ich weiß nicht, wer das ist.«
»Wie? Das
weißt
du nicht? Ich bin schockiert, Jamie.«
»Was soll ich sagen? Ich bin eben auch nicht perfekt – noch nicht. Keine Sorge, das finde ich schon raus, aber ich würde erst mal davon ausgehen, dass sie für den Käufer arbeitet. Warum sollte Ms Coane für teures Geld jemanden aus Seattle holen, noch dazu in einem Privatflugzeug? In Santa Fe wimmelt es wahrscheinlich von Kunstsachverständigen.«
»Ja, aber wimmelt es auch von
unehrlichen
Kunstsachverständigen?«, fragte Ted nachdenklich. »Vielleicht hat Liz im Vorfeld irgendetwas mit ihr abgesprochen. Es ist doch schon seltsam: Mal ganz abgesehen davon, was es kostet, jemanden aus Seattle einzufliegen, warum sollte jemand, der noch alle beisammen hat – Käufer oder Händler –, sich solche Mühe machen, um ausgerechnet Geoffrey Londons Tochter zu engagieren? Da ist doch was faul.
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