Gefährliches Talent: Kriminalroman
nur noch nicht, denn ihr graute vor der unvermeidlichen öden Szene, die ihr bevorstand, wenn er erfuhr, dass auch der schönste Körper, der sinnlichste Südstaatenakzent und die animalischste Geilheit auf die Dauer langweilig wurden, wenn sie nicht mit Grips oder Charakter einhergingen. Wenn Cody Mack doch wenigstens eine dieser Eigenschaften besessen hätte …
Auch mit seinem Wahrnehmungsvermögen war es nicht weit her. Liz hatte schon seit mehr als zwei Wochen etwas mit seinem Ersatzmann und Cody Mack hatte nicht das Geringste gemerkt. Selbst die Tatsache, dass der nachdenkliche, intelligente und atemberaubend gut aussehende polnische Künstler Gregor Gorzynski an diesem Abend in der Galerie Blue Coyote eine Vernissage hatte, konnte Cody Macks eintöniger Selbstverliebtheit nichts anhaben. Natürlich war auch Gregor kein großer Künstler und es war schon ziemlich großzügig, ihn überhaupt Künstler zu nennen. Er nannte sich »postminimalistischer Konstruktivist« und verwendete ausschließlich Zahnstocher, M&M’s, Bindfaden, Nudeln und Sekundenkleber. Liz war der Meinung, das Zeug gehörte auf den Müll, aber Müll verkaufte sich dieser Tage ganz gut, deshalb hielt sie sich mit ihrer Kritik zurück.
»Mach dir keine Sorgen, er ist nicht mein Typ.« Aber sie konnte es sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Und um Gottes willen, mach doch beim Kauen den Mund zu.« Das kam davon, dachte sie, wenn man sich mit Vierundzwanzigjährigen abgab. Wann würde sie das endlich begreifen? (Immerhin war Gregor schon siebenundzwanzig.)
Cody Mack zog ein Gesicht. »Ich habe nicht mit offenem Mund gekaut.«
Doch, hast du
, dachte Liz,
aber was soll’s.
Er sah sie weiter böse an. Warum war ihr vorher nie aufgefallen, dass er, wenn er schmollte, aussah wie ein tumber, finster dreinschauender Neandertaler? Die vorstehende Stirn, dieser gemeine Zug um die fleischigen Lippen …
»Und glaub bloß nicht, ich weiß nicht, dass das da eine doppelte Margarita ist.«
»Was zum Teufel geht es dich denn an, was ich …«, begann sie, verstummte dann aber plötzlich und sah sich um. Niemand sah zu ihnen herüber. Gut. Hier war nicht der richtige Ort für eine Szene.
Das ist dein letztes Essen auf meine Kosten, Freundchen,
dachte sie.
Deine Henkersmahlzeit. Ich werde mein Glück mit einem anderen versuchen.
Wieso in drei Teufels Namen hatte sie überhaupt mit diesem Typ was angefangen? Cody Mack … Was war das überhaupt für ein Name für einen Künstler? Und seit wann gab es Künstler in Mississippi?
Der Fremde war aufgestanden und im Lokal verschwunden. »Bleib hier«, sagte sie zu Cody Mack. »Ich bin sofort wieder da.«
»Was soll ich denn …«
»Bleib einfach da sitzen. Und halt die Klappe. Und mach beim Kauen den Mund zu.«
Cody Mack wurde knallrot und warf seine Gabel hin. »He, du kannst mich doch nicht rumkommandieren. Du bist doch nicht meine verd…«
»Ach, lass es gut sein, verdammt noch mal.«
Sie ging um den alten, original spanischen Brunnen herum, der, frisch restauriert und mit hübschem Dach versehen, das Prunkstück des Innenhofs darstellte, und bahnte sich ihren Wegdurch die Menge, wobei sie auf Schritt und Tritt Leuten zunickte, sie anlächelte und mit gespielter Begeisterung begrüßte. Als sie Doris’ Tisch erreichte, setzte sie sich.
Doris sah von ihrem Apfelkuchen auf. »Ach, hallo Liz. Entschuldige, ich bin in Begleitung. Er ist nur mal kurz rausgegangen, weil sein Handy geklingelt hat. Die dicken Lehmmauern stören den Empfang.«
»Ich weiß, Doris. Ich bleibe auch nur eine Minute. Ich wollte nur fragen, wer dein Freund ist.«
»Er ist nicht wirklich ein Freund von mir. Ich habe ihn erst gestern kennengelernt. Er ist in den Laden gekommen. Ein Kunsthändler aus Boston. Er heißt Roland de Beauvais. Aber sein Spitzname ist Rollie«, sagte sie mit einem affektierten Lächeln.
»Roland de Beauvais«, wiederholte Liz. »
Oh, là, là
. Etwa Franzose?«
»Nein, nur französischer Abstammung. Ein typischer Bostoner«, sagte sie, wobei sie den Bostoner Akzent nachahmte. »Er ist erst seit ein, zwei Tagen hier.« Während sie redete, verschlang Doris gierig und geräuschvoll ihren Kuchen. Liz musste wegsehen.
Gott, bin ich die Einzige in Santa Fe, die beim Kauen den Mund zumacht?
»Gary Selway hat ihn zu mir geschickt, aber ich weiß nicht, ob ich ihm helfen kann.«
»Ja, ich habe gehört, dass ein Kunsthändler von der Ostküste sich hier umsieht. Wonach sucht er denn?«
»Amerikanische
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