Gefährliches Verlangen
alles ruhig. Gott sei Dank! Vielleicht war es ja auch nur eine neue Taktik von James. Niemand wusste das so genau. Aber die Gewissheit darüber, sich eines Tages von dieser Gefahr zu befreien, machte es erträglicher. Auch hatte Simon nicht ohne Grund die Bewachung seines Domizils verdreifacht. Zumindest fühlte er sich auf seinem Anwesen nun sicher genug. Nichtsdestotrotz fühlte er sich mit Rafael an seiner Seite stärker. Und er war sich dessen Loyalität vollkommen sicher.
„Brauchte eine Veränderung.“, erwiderte Rafael knap p und widmete sich wieder seiner Brotscheibe, die er im Übrigen viel zu trocken mit Butter beschmiert hatte, biss gelangweilt hinein und kaute belanglos auf dem zähen Brocken herum. Das Brot kratzte derart in seiner Kehle, als er es versuchte herunterzuwürgen, dass er dabei fast einen Hustenanfall bekam.
„So, so… eine Veränderung also.“, bemerkte Simon trocken und widmete sich wieder seiner New York Times. Simon kannte Rafael nur zu gut. Er wusste genau, dass Rafael nicht darüber sprechen wollte, wenn er ihm auf diese Art und Weise die kalte Schulter zeigte. Egal, was ihn dazu gebracht hatte, sein Haar abzurasieren, es musste etwas sein, worüber er kein Wort verlieren wollte. Doch Simon war sofort klar, was Rafael fehlte, fehlen musste. Eine Frau! Seit er aus London hierhergekommen war, hatte er – soweit er sich erinnern konnte – keine Frau mehr abgeschleppt. Weder aus dem Club noch von irgendeiner Party, auf der sie sich gemeinsam herumgetrieben hatten. Und sie waren eigentlich immer zusammen, seit er hier war. Grundlos hätte er sich das Haar sicherlich nicht abrasiert. Und er sagte ja auch, er brauche eine Veränderung. Verflucht! Simon packte sofort das schlechte Gewissen. Er hatte sich kaum um ihn gekümmert, seine ganze Aufmerksamkeit nur Katelyn gewidmet. Daher hatte er wohl übersehen, dass sich sein bester Freund hier furchtbar langweilte. Aber dem würde er nun Abhilfe schaffen. Denn wenn er wollte, dass Rafael noch eine Zeitlang hier in New York bliebe, musste er irgendetwas gegen Rafaels Langeweile unternehmen. Und wahrscheinlich ödete es ihn schon mächtig an, nur das fünfte Rad am Wagen zu sein. Dass ich das nicht schon früher bemerkt habe, schalt er sich in Gedanken. Aber das würde er schon noch ändern. Und zum Glück hatte er sich ja keine Glatze geschoren. Die Phase hatte er nämlich schon hinter sich. Da war Rafael noch Teenager gewesen und der Haarschnitt eine Art Protest, auch wenn Simon nie verstanden hatte, wieso Rafael seine Gefühlsausbrüche immer mit dem Rasierer bewältigte. Nun gut, so war Rafael nun mal. „Ich finde, es steht dir gut.“, sagte Simon, schlug die Zeitung zu und blickte zu ihm auf. „Ich müsste dich dann mal kurz sprechen. Alleine. In meinem Büro.“, bemerkte er so ganz nebenbei, als er an seiner Kaffeetasse nippte.
Raf ael wäre beinahe der letzte Bissen im Hals stecken geblieben. Sein Atem stockte und das Herz begann wieder zu rasen. Er wurde merklich nervöser. Schaffte es nicht mehr, das Messer ruhig zu halten. Legte es auf die Serviette neben seinem Teller, damit man ihm seine innere Unruhe nicht an seiner zittrigen Hand ansehen konnte. O Gott! Hatte er es gemerkt? „Okay. Was steht an?“ Seine Stimme brach. Er versuchte zwar, gleichgültig zu klingen, doch seine Stimme verriet ihn. Klang wie ein Krächzen. Klang keinesfalls mehr nach ihm, dem Coolen, dem Lockeren, dem mich-erschüttert-nichts-Rafael. Sie klang wie die eines Mannes, der etwas zu verbergen hatte. Etwas so Verwerfliches wie er.
„Nichts Schlimmes, Bruder. Nur ein Gespräch zwischen Männern.“, bemerkte Simon lachend, dem Rafaels plötzliche Nervosität nicht entgangen war. Simon sah entschuldigend zu Katelyn hinüber. Er liebte seine Frau über alles, aber er hatte begriffen, dass er seinen Freund vernachlässigt hatte. Deshalb musste er hier dringend Abhilfe schaffen. Ein klärendes Gespräch mit ihm führen, denn – wie gesagt – er hatte die Unruhe, die scheinbar im Inneren seines Freundes tobte, bemerkt und wohl auch richtig gedeutet. Er sah ihn in diesem Augenblick ja fast schon so an, als würde er ihn gleich zur Schlachtbank führen. Dass er das nicht schon eher bemerkt hatte, ärgerte ihn. Rafael war immer für ihn da gewesen, aber wenn er ihn mal brauchte, dann übersah er seine Probleme einfach. Und das durfte nicht sein. Das durfte er nicht zulassen. Das würde er ändern. Spätestens jetzt!
Um die Aufmerksamkeit wieder von
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