Gefährte des Wolfes: William
zu gehen. Er musste die Unruhe seines Wolfes kanalisieren, die aufgrund der Verbitterung zwischen ihm und seinem Bruder entstanden war.
»Ich weiß, dass du das immer wieder gesagt hast, aber du bist ein weitaus besserer Anführer als ich. Dir ist alles in den Schoß gefallen. Du wusstest immer, was zu sagen war, um einen Streit zu schlichten oder die Wächter anzutreiben.«
»Das ist nichts weiter als der Fridolf in mir. Es ist ein angeborener Instinkt. So wie du danach strebst, das Rudel zu führen und dich darum zu kümmern. Selbst wenn ich die Führung gewollt hätte, wäre es mir nicht gelungen. Mir liegt es nicht, den Thron zu erkämpfen und ihn zu halten. Du musstest nicht versuchen, mich zu töten.« Rauls Worte hallten in der plötzlichen Stille wider wie ein heruntergefallenes Buch in einer totenstillen Bibliothek.
»Dich töten? Wovon zum Teufel redest du da?«, fragte Richard. Seine stechend grünen Wolfsaugen fingen Rauls Blick ein.
»Ich rede davon, mitten in einem fremden Revier aufzuwachen. Ohne zu wissen, wo ich bin, wie ich dort hingekommen bin oder die Chance, um sicheres Geleit zu bitten!« Raul wusste, dass er schrie, aber es war ihm egal. Wenn Will sich wirklich an Richard binden wollte, sollte er wissen, worauf er sich einließ.
Richards Stimme wurde ruhiger und als er sprach, war sie beinahe vollkommen leer und tonlos. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Als du gegangen bist, hast du einen ausführlichen Brief hinterlassen. Du hättest die Chance, den Fridolf aus dem Cumberland-Rudel als Mentor zu bekommen. Alle zwei oder drei Monate haben wir einen neuen Brief von dir bekommen…« Nur ein leichtes Zittern in Richards Stimme verriet, wie sehr ihm die Erinnerung wehtat.
Knurrend stürzte sich Raul auf Richard. Sie waren sich körperlich immer ebenbürtig gewesen, doch Richard hatte Gewicht verloren und das Überraschungsmoment war auf Rauls Seite. Richard schlug hart auf dem Rücken auf.
Augenblicklich legte er den Kopf zur Seite und bot Raul seine Kehle dar. Er würde seinem Bruder sein Leben anbieten, wenn er danach verlangte. Diesem Verrat würde er auf den Grund gehen, doch er hatte wenig Zweifel, dass Sienna dahinter steckte, was bedeuten würde, dass es seine Schuld war.
Raul hielt Richards Beine mit seinem Gewicht auf dem Boden und nahm den Geruch seines Körper in sich auf. Seine Zähne strichen über die weiche Haut an Richards entblößter Kehle. Es war eine aufrichtige Geste der Unterwerfung, kein Trick, um sein Verbrechen zu verschleiern. Raul konnte keine versuchte Täuschung wittern, nur den Schmerz und die letzten Spuren von der Nacht mit Will.
Überraschenderweise war es Wills Geruch, der seine menschliche Seite und seinen Wolf wieder beruhigte. Er setzte sich zurück auf die Fersen und erhob sich anschließend mit würdevoller Elganz. Raul schnappte sich seine leere Kaffeetasse und machte sich auf den Weg in die Küche, um sie wieder aufzufüllen.
Richard erhob sich ebenfalls, klopfte sich den Staub von der Kleidung und sah Raul hinterher. Er wusste, dass dieses Thema noch lange nicht geklärt war, doch die Wut schien seinen Bruder verlassen zu haben und er hoffte, dass ihre Beziehung nicht für immer zerstört war.
Als Raul zurück auf die Veranda kam, setzte sich Richard auf einen Stuhl neben dem Geländer und achtete darauf, seinen Kopf tiefer zu halten als sein Bruder. »Ich hatte keine Ahnung.«
Raul fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und massierte sich anschließend den Nacken. »Nein, aber du hast sie in unser Leben gebracht.«
Richard nickte. »Und ich werde sie auch wieder loswerden.«
Raul zog seinen Stuhl nach vorn, sodass er Richard gegenübersaß. Ihre Knie berührten sich und diese Geste sagte mehr als tausend Beteuerungen, dass er Richard verzieh. »Wie willst du das anstellen? Sie hat mehr Macht als alle, die wir kennen.«
Einer alten Gewohnheit nachkommend, legte Richard seinen Oberkörper auf Rauls Schoß, wie er es als Kind getan hatte. Raul vervollständigte das Ritual, indem er Richard durch die Haare strich.
»Ich werde zurückgehen und das Problem direkt angehen, wie ich es von Anfang an hätte tun müssen. Wie der Anführer, der ich sein sollte. Ich hätte sie nie in meiner Nähe behalten dürfen, da ich wusste, dass sie nicht meine Gefährtin ist. Es war eben einfacher, es dabei zu belassen, als die Konfrontation zu suchen.«
»Es wird gefährlich werden. Sie wird nicht freiwillig gehen. Dafür hat sie zu viel
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