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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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vielleicht kann sie mir noch nützlich sein. Na ja, also ich bereite mich auf die Schlacht vor.Wie alle hier.«
    Tyke nickte. Wie alle hier, das hatte die Amazone gut gesagt. Keiner in der Feste dachte mehr an etwas anderes. »Findet Ihr nicht auch, dass diese Warterei die reinste Folter ist?«, sagte er, und gleichzeitig fragte er sich, wie sie es schaffte, so ruhig und gelassen zu sein, wo doch überall seit Tagen diese Spannung in der Luft lag.
    Sie schüttelte den Kopf und ihre bereits vom Wind zerzausten Locken tanzten auf ihren Schultern. »Eigentlich nicht.« Sie hatte sich während ihrer Unterhaltung an die Mauer gelehnt, nun stieß sie sich wieder ab, und Tyke dachte, dass sie sich zum Gehen wandte. Er war schon ein wenig enttäuscht, dass sie sich gleich wieder trennen sollten, nachdem sie nur ein paar Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten. Aber Irdris ging nur ein paar Schritte, und nachdem sie sich die Streitaxt richtig über die Schulter gehängt hatte, drehte sie sich wieder zu ihm um und schlug ihm auf ihre entwaffnend unkomplizierte Art vor: »Hättet Ihr vielleicht Lust auf einen kleinen Spaziergang oben auf dem Wehrgang?«
    Selbstverständlich hatte er Lust. Und so liefen sie nebeneinander her, als ob es das Natürlichste auf der Welt wäre. Und vielleicht war es das ja auch. Irdris redete in einem fort und gab mit ihrer fröhlichen Stimme Kommentare zu allem und jedem in der Festung ab. Tyke hatte sich vorgenommen, über jeden ihrer Scherze höflichkeitshalber zu lachen, aber er musste sich gar nicht dazu zwingen, denn sie war so freimütig und witzig und hatte eine so treffende Art, die absurdesten Details einer Situation zu erkennen, dass er wirklich immer wieder laut auflachen musste. Zu seiner Überraschung fiel es auch ihm ganz leicht, sich an die Brüstung gelehnt mit ihr zu unterhalten, etwas, was er noch am
Tag zuvor für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten hätte. Und dann stellte er sogar fest, dass sich seine Angst vor der nächsten Begegnung mit dem Schwarzen Heer, die sich seit der Niederlage in seinem Kopf festgesetzt hatte, ein wenig gelegt hatte. Er war Irdris sehr dankbar dafür und hätte ihr gerne gesagt, dass sie es geschafft hatte, ihm zumindest für eine kurze Zeit eine große Last von der Seele zu nehmen, aber damit hätte er das Gespräch wieder auf ernstere Themen gebracht und er wollte die Leichtigkeit des Augenblicks nicht verlieren. Daher sagte er lieber nichts.
    »Ach, ich finde den Herrn Statthalter einfach großartig«, meinte Irdris und drehte sich in seine Richtung, ohne ihn wirklich anzublicken, da sie sich über die Brüstung lehnte, um den Wind in ihrem Gesicht zu spüren. »Er kann sich so herrlich über sich selbst lustig machen. In diesen Tagen nehmen sich alle immer so wichtig, meint Ihr nicht auch? Sie sollten ein bisschen von Greyannah lernen. Wo er nur immer diese merkwürdigen bunten Umhänge findet? Einige sind wirklich geschmacklos.«
    »Keine Ahnung«, sagte Tyke und stellte sich neben sie, sehr nah. »Ja, es stimmt, wir sind alle sehr darauf bedacht, einen ernsten Eindruck zu machen. Eines Tages wird unsere förmliche Art noch unser Untergang sein«, sagte er und hätte gerne noch hinzugefügt: »Und wir beide, wir lachen zusammen und reden uns dennoch immer noch mit ›Ihr‹ an? Unterwerfen wir uns damit nicht auch der Etikette?« Aber vielleicht wäre das zu viel gewesen. Zwischen ihnen herrschte immer noch eine gewisse Distanz, und auch wenn er sich so gut mit Irdris verstand, war es doch richtig, dass die gewahrt blieb.
    »Es ist spät«, sagte sie und stieß sich von der Brüstung ab. »Der Speisesaal wird schon geöffnet sein, und ich muss gestehen, ich habe Hunger.Was habt Ihr vor? Ach so, Ihr werdet wohl wieder in Euren Gemächern essen. Das verstehe ich, manchmal kann es im Saal mit all den Leuten und dem Lärm und Durcheinander ziemlich anstrengend sein.«

    Sie hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und lief den Weg zurück, den sie gemeinsam bis hierher gegangen waren. Die Sonne stand hoch über ihren Köpfen, Irdris hatte wohl recht, es musste schon nach Mittag sein. Waren sie wirklich so lange auf der Umfassungsmauer gewesen? Tyke war es nur wie ein Augenblick vorgekommen.
    »Nein«, entgegnete er, »ich denke, ich komme mit Euch. Lyannen wird auch im Speisesaal sein und ich habe noch etwas mit ihm zu bereden.«
    Sie lächelte immer noch.Tyke gefiel die Vorstellung, dass es sie freute, sich nicht sofort von ihm verabschieden zu

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