Gefaehrten der Finsternis
oder Klingen schärften. In den Ställen sorgten die Männer vom Berittenen Sturm dafür, dass es ihren Schlachtrossen an nichts mangelte. Und überall, in den Fluren, in den Höfen, auf den Befestigungsmauern, in den Bädern war nur ein einziges Wort zu hören: Krieg.
Sogar die taktischen Pläne, die Statthalter Greyannah in den
letzten Monaten so unermüdlich erarbeitet hatte, hatte man hervorgeholt und den im innersten Hof versammelten Truppen vorgestellt. Tyke war dabei, immer in der ersten Reihe, und er verfolgte ebenso eingeschüchtert wie fasziniert den stürmischen Redefluss von Greyannah, voller Bewunderung für sein taktisches Geschick. Doch obwohl ihn das alles wirklich interessierte, überraschte er sich ab und an dabei, dass er sich ablenken ließ. Dann verirrte sich sein Blick zu Irdris, der Amazone, die nur wenig abseits im Bund der Rebellen stand. Sie trug immer ihre weiß-violetten Gewänder, ihre braunen Locken mit dem Kupferstich fielen ihr ein wenig wirr auf die Schultern und Tyke kam sie unglaublich schön vor. Er hätte sich ihr gern genähert und sie angesprochen, wenn er nur gewusst hätte, worüber er mit ihr reden sollte, und wenn ihn nicht der Gedanke abgehalten hätte, dass er schließlich doch Sohn und Bruder eines Königs war und sie wenig mehr als eine Herumtreiberin auf der Flucht vor ihren Gefährtinnen.
Aber dennoch war er versucht, sie anzusprechen. Der Krieg, der bald über sie hereinbrechen würde, könnte sie beide mit sich in den Tod reißen, und im Angesicht dieser unmittelbar bevorstehenden Gefahr schien jede Gelegenheit, die man nicht sofort nutzte, unwiederbringlich verloren. Außerdem hatte Tyke in diesen Tagen unten im Speisesaal nicht weit von Irdris entfernt gesessen und sie reden und lachen gehört. Sie führte geistreiche, intelligente Unterhaltungen, mit ihrem leicht fremden Akzent, der bei ihrer klaren, hellen Stimme sehr sympathisch wirkte. Ihr lautes Lachen konnte jeden fröhlich stimmen. Tyke hätte ihr stundenlang zuhören können. Ja, sie zog ihn an, ganz egal, welche Standesunterschiede sie auch trennen mochten. Doch mit Lyannen hatte Tyke noch nicht darüber gesprochen. Der hätte ihn nur ausgelacht. Oder vielleicht auch nicht, denn Lyannen verstand wohl durchaus etwas von diesen Dingen. Trotzdem hatte Tyke nicht mit ihm darüber geredet, und er würde es auch weiterhin nicht
tun. Das war ganz allein seine Sache, und er entschied darüber, wie er weitervorgehen sollte. Ob er sie ansprechen, die erstbeste Gelegenheit ergreifen oder sich lieber zurückhalten würde, bis der Krieg ihnen Anlass zu anderen Sorgen gab.Ab und an rang er sich zu einer Entscheidung durch, welche der beiden Möglichkeiten nun die bessere war, doch wenn er dann Irdris gegenüberstand, fielen alle seine Überlegungen wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Doch in diesem Moment dachte Tyke gerade einmal nicht an Irdris, sondern an die bevorstehende Schlacht und fragte sich, wann der Feind vor den Mauern der Festung auftauchen würde und dieses nervenaufreibende Warten endlich ein Ende hätte. Daher schrak er zusammen, als eine glockenhelle Stimme ihn bei seinem Namen rief.
»Herr Mirnar! Was macht Ihr denn hier?«
Sie kam gerade aus der Waffenkammer, trug ihren dunklen Bogen quer über die Brust, eine doppelschneidige Axt über die Schulter und strahlte über das ganze Gesicht. Ihre Haare waren wie immer leicht zerzaust. Ihr Lächeln galt ganz allein ihm, es war klar und aufrichtig und bar jeder Zweideutigkeit, ein freundschaftliches Lächeln, mehr nicht. Tyke fragte sich noch einen Moment, ob er es erwidern dürfte, entschied sich zunächst dafür, doch dann überlegte er es sich auf halbem Weg anders und so kam bloß eine merkwürdige Grimasse dabei heraus. Doch Irdris lächelte unbeeindruckt weiter.
»Ich wollte ein bisschen frische Luft schnappen«, sagte Tyke schließlich, mehr als Antwort auf ihr Lächeln als auf ihre Frage. »Ich habe es in der Festung nicht mehr ausgehalten. Und Ihr?«
Das war typische höfliche Konversation, doch Irdris war nicht im Mindesten verlegen. »Ich habe die Sehne meines Bogens austauschen lassen. Die alte war schon ein wenig abgenutzt. Wenn sie mir mitten in der Schlacht reißen würde, würde ich ziemlich dumm dastehen. Und wo ich schon mal hier war, habe ich
mir noch die geben lassen.« Sie wies auf die Streitaxt, als wäre es das Normalste von der Welt, dass eine Frau mit einer derartig schweren Waffe hantierte. »Man kann ja nie wissen,
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