Gefaehrten der Finsternis
bessere Art den Tod finden können.«
»Musste er denn überhaupt den Tod finden?«, erwiderte Lyannen zornig. »All diese Leute sind tot: Mussten sie denn wirklich alle sterben?«
Ein Lächeln voll unendlicher Zärtlichkeit huschte über Vandriyans Lippen. »Lyannen, mein Kleiner, ich verstehe dich«, sagte er sanft. »Der Krieg, der Tod, all das ist schrecklich. Für dich genau wie für mich. Manchmal frage ich mich auch, warum das alles geschehen muss. Ich verstehe, dass es anfangs schmerzlich ist, sogar sehr schmerzlich. Und dieser Schmerz hört auch nie auf. Aber du musst die Entscheidungen des Schicksals akzeptieren. Du kannst deinen Freund nicht wieder zurückholen. Aber du kannst dich immer an ihn erinnern und für die gerechte Sache kämpfen. Das ist das Schönste, was du für ihn tun kannst.«
Lyannen schloss die Augen. Die Stimme seines Vaters klang so beruhigend, wie früher, wenn er sich als Kind in seine Arme geflüchtet hatte, weil er Angst vor der Dunkelheit und den nächtlichen Geräuschen hatte. Vandriyan fuhr ihm mit einer Hand
durch die rabenschwarzen Haare. »Jetzt trockne deine Tränen. Kopf hoch. Und sei stolz auf deinen Freund, denn er ist ein Held.«
Lyannen versuchte zu lächeln, aber das gelang ihm nicht. »Weiß Elfhall es schon?«, fragte er. »Hat jemand es ihm gesagt?«
»Ich habe ihm selbst die Nachricht überbracht«, sagte Vandriyan und seufzte erneut auf; er schien wirklich sehr müde zu sein. »Lass ihn eine Weile in Ruhe. Es ist nicht leicht für ihn. Er hat erst vor Kurzem einen Bruder verloren, der Ärmste, und er stand seinem Cousin sehr nahe. Er wird eine Weile brauchen, bis er darüber hinwegkommt.«
Lyannen schüttelte den Kopf. »Ich dachte, dass er vielleicht wissen möchte, was passiert ist, das ist alles. Das bin ich ihm schuldig.« Da ging ihm ein Gedanke durch den Kopf. »Und die Schlacht? Ist sie zu Ende? Haben wir gewonnen?«
»Ach, wo denkst du hin!«, rief der Hauptmann aus. »Wir sind zurückgekehrt, als es dunkel wurde, und wir haben das Südtor verbarrikadiert, so gut es ging, aber sie schießen immer noch mit Pfeilen auf uns und versuchen es jetzt auch wieder mit den Leitern. Sie werden wahrscheinlich die ganze Nacht weitermachen. Was morgen früh kommt, werden wir dann sehen.Wir sind noch weit davon entfernt, diesen Krieg zu gewinnen.«
»Und jetzt?«, fragte Lyannen leise. »Wieder eine schlaflose Nacht?«
»Ja, es werden wohl nur wenige schlafen«, bestätigte ihm Vandriyan. »Wir haben Verwundete, um die wir uns kümmern müssen. Und Tote, die wir nicht vergessen dürfen.«
»Ich möchte Elfhall sehen«, beschloss Lyannen.
Es wurde eine Nacht der Feuer. Feuer brannten auf den Befestigungsmauern, um sie zu erhellen. Feuer loderten in den Fackeln und den Pfeilen, die sie auf die Angreifer auf den Leitern abschossen. Und andere Feuer erhellten mit ihrem prasselnden
Schein den Innenhof: die Feuer der Scheiterhaufen, auf denen die Helden bestattet wurden.
Ein alter Brauch, der selbst jetzt mitten im Krieg nicht vernachlässigt wurde.Viele weinten in dieser ersten Nacht nach der Schlacht. Man gab Ulfhart das letzte Geleit, der seine Leute aus der Goldenen Stadt hierher angeführt hatte, und Elenis von der Kavallerie, der einen heldenhaften Tod gefunden hatte, als er gegen zwei Dämonen gleichzeitig kämpfte, und vielen anderen namenlosen Soldaten, an die nie ein Heldengesang erinnern würde. Alle Herzen waren schwer, die Augen voller Tränen.
Lyannen hatte sich umgezogen, stand mit gesenktem Haupt da, versuchte, seine Tränen zurückzuhalten, und fuhr sich immer wieder über seine brennenden Augen. Die anderen aus seinem Bund, Irdris, Tyke, sein Bruder Ventel hatten die Schlacht überlebt und hatten sich nun alle im vom Wind gepeitschten Hof versammelt, um einem Freund die letzte Ehre zu erweisen, der im Kampf gefallen war.
Dalman hatte nie so schön ausgesehen wie in diesem herzzerreißenden Moment. So wie er da auf dem dunklen Holzstoß lag, schien er zu schlafen, hielt ein Schwert in seinen über der Brust gekreuzten Armen, nicht seines allerdings, denn das hatte Lyannen in Erfüllung seines letzten Wunsches Elfhall übergeben. Blumen schmückten seine Stirn und Haare. Lyannen konnte nicht hinschauen. Er sah ihn dann wieder vor sich, wie er lachte, sprach und kämpfte und wusste, dass Dalman dies alles nie wieder tun würde.
Aufrecht neben dem Scheiterhaufen stand Elfhall mit einer Fackel in der Hand und wirkte selbst wie ein wandelnder
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