Gefaehrten der Finsternis
Sinne schwanden. Dann öffnete er noch einmal den Mund, aber er brachte immer noch keinen Laut heraus.
»Es ist alles in Ordnung«, wiederholte der Mann vor ihm. »Kannst du aufstehen? Komm, ich reiche dir eine Hand. Gehen wir zum Lazarett.«
Mit seiner Unterstützung konnte Lyannen sich aufrichten, auch wenn er dabei taumelte. »Ich bin verletzt«, konnte er endlich herausbringen. »Die Schulter. Da.« Er zeigte auf die Stelle. Er hörte, wie der Mann seine Gewänder beiseiteschob, um ihn zu untersuchen, doch dann schüttelte der den Kopf.
»Du hast dich getäuscht, Bruder«, sagte er schließlich. »Da ist keine Wunde. Du bist nur erschöpft. Ein wenig Ruhe, und du fühlst dich bald wieder wie neu. Kannst du laufen?«
»Ich… ich weiß es nicht«, stammelte Lyannen. Keine Wunde? Aber die Klinge war doch durch sein Fleisch bis auf die Knochen gedrungen! Er drehte selbst den Kopf nach hinten und versuchte, die Stelle zu sehen, wo er getroffen worden war. Auf der glatten Haut war nicht der geringste Kratzer zu sehen.
Nun schwankte er wieder und der Mann neben ihm musste ihn stützen. Lyannen kniff die Augen zusammen. Vielleicht träumte er ja. Alles um ihn begann, sich zu drehen. Er schloss die Augen und ließ sich in die Arme des Mannes sinken.
Der Zauber des Anhängers hatte ihn bis hier aufrecht gehalten,
er hatte seine Wunden geheilt, aber er hatte auch all seine Lebenskraft bis zum letzten Tropfen aufgebraucht.
Lyannen zwinkerte zwei, drei Mal mit den Lidern, bevor er die Augen richtig öffnete. Er lag zwischen weichen Leinenlaken, seine Haare waren auf das Kissen gebreitet. Die Luft roch streng nach Medizin. Das Zimmer lag im dämmrigen Schein von matten Fackeln, und als er sich umblickte, sah er weitere Betten neben sich stehen. Er musste sich im Lazarett befinden. Aber sicher, sie hatten ihn dorthin gebracht, nachdem er ohnmächtig geworden war. Es war ein ruhiger, stiller Ort, ein Ort, wo er sich ausruhen konnte. Doch dessen bedurfte er nun nicht mehr. Er fühlte sich wie neugeboren, in jeder Hinsicht neu erstarkt.Wenn er an die schrecklichen Geschehnisse der Schlacht zurückdachte, fühlte er nicht mehr diesen tiefen Schmerz, sondern nur noch eine schreckliche Wut auf den, der für all das verantwortlich war. Lyannen wollte Rache. Er wollte, dass der Herr der Finsternis für all das Böse bezahlte, was er angerichtet hatte.
Die Tür des Lazaretts ging auf und eine kleine Gruppe Männer betrat schweigend den Raum. Lyannen erkannte sofort den Sire, der die Schar anführte. Hinter ihm kamen Slyman mit seinem treuen Freund Rabba Nix, Hauptmann Vandriyan und Greyannah. Als Letzter erschien mit etwas Abstand ein muskulös gebauter Mann, der ganz in Orange gekleidet war und den Lyannen als Brandan Stolzblitz erkannte, und dieser merkwürdige Hauptmann aus dem Süden, der wohl Theresian hieß.
»Selbstverständlich ist bereits alle Erdenkliche unternommen worden«, sagte Sire Myrachon leise. »Vielen dieser Männer wird es morgen wieder gut gehen. Die Schlacht hat sich für uns zwar als recht erfolgreich erwiesen, aber sie könnte sich noch tagelang hinziehen, und wir sind nun einmal in deutlicher Unterzahl, deshalb muss alles Mögliche für die Verletzten getan werden, und das nicht nur aus purer Barmherzigkeit.«
»Ich tue ja, was ich kann«, rief Greyannah. »Aber in der ganzen Festung gibt es nur drei oder vier Heilkundige und ein paar Quacksalber, doch diese Dämonen kämpfen mit allen Mitteln, auch mit Zauberwaffen. Magie. Nur sie wissen noch mit Magie umzugehen.«
»Deshalb bin ich ja hier.« Theresian richtete sich voller Stolz auf. »Sire, der Mann, von dem Ihr gesprochen habt, befindet sich der hier?«
»Ja, er ist hier«, sagte der König. »Sein Leben hängt an einem seidenen Faden, möchte ich meinen. Er hatte eine schlimme Wunde an der Schulter, aber die bereitet mir keine Sorge, der Heilkundige hat gesagt, dass er die versorgen kann. Das größere Problem ist, dass er auch einen Dolchstoß mitten in die Brust erhalten hat. Nun hat die Klinge zum Glück kein lebenswichtiges Organ getroffen, aber es hat den Anschein, als handelte es sich um keine gewöhnliche Waffe, denn es hat unvorhersehbare Nebenwirkungen gegeben.«
»Unvorhersehbare Nebenwirkungen«, wiederholte Theresian. »Habt Ihr die Waffe gefunden? Habt Ihr sie aufbewahrt?«
Greyannah zog einen in weißen Stoff gewickelten Gegenstand hervor. »Ich habe sie hier«, antwortete er. »Aber ich würde sie lieber nicht auspacken,
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