Gefaehrten der Finsternis
Leichnam. Sein Gesicht war eine einzige Maske des Schmerzes; Tränen hatten ihre Spuren darauf hinterlassen und eine Qual, die er am liebsten laut herausgeschrien hätte. Hin und wieder zuckten seine Schultern unter dem braunen Umhang in unterdrücktem Schluchzen. Alle Anwesenden hielten sich scheu von ihm zurück.
Er betrachtete seinen Cousin, oder das, was er einmal gewesen war, und hoffte inständig, dass es ihm gut ging, falls man nach diesem Leben noch etwas empfand. Dalmans Gesicht wirkte nun so ruhig und entspannt wie das eines Mannes, der weiß, dass er seine Pflicht erfüllt hat.
»So bist du nun von uns gegangen«, sagte Elfhall. Seine Stimme war rau, Tränen standen wieder in seinen Augen. »Und schließlich war es das, was du dir immer erträumt hast - in die Schlacht zu ziehen und als Held zu sterben. Es heißt, dass uns das Schicksal all unser Tun vorgibt, Dalman. Vielleicht ist dem so.Vielleicht waren dir ja von Anfang an ein kurzes Leben und der Heldentod vorbestimmt. Aber das hindert mich nicht daran, deinen Verlust zu beklagen. Du wirst mir sehr fehlen, Dalman. Alles an dir wird mir fehlen, und niemand, der mir deine Ehre ins Gedächtnis ruft, wird damit diese Leere ausfüllen können, die du hinterlassen hast. Ich habe dich so geliebt, Dalman. Mehr als einen Bruder.«
Elfhall von Nuna konnte nun nicht mehr an sich halten und brach in verzweifeltes Weinen aus. All der Schmerz, der sich seit Beginn des Krieges angesammelt hatte, der Schmerz über den Tod seines Bruders, zusammen mit dem über den Tod seines vielgeliebten Cousins, brach sich nun in befreienden Tränen Bahn, den Tränen eines Mannes, der schon zu lange gelitten hat. Seine Freude standen wie erstarrt daneben und sahen ihm zu, denn sie wussten, dass sie nichts für ihn tun konnten, außer ihm in diesem schrecklichen Moment zur Seite zu stehen.
Das Schluchzen war der einzige Laut im Hof. Draußen auf den Befestigungsmauern wurde noch gekämpft. Doch man hatte den Eindruck, als fände dieser Kampf in einer anderen Welt statt,Tausende Meilen von der Szene unendlicher Trauer entfernt, der sie gerade beiwohnten.
Schließlich hob Elfhall den Kopf, wischte sich mit zitternder Hand die Tränen aus den Augenwinkeln. Seine letzten Worte waren
kaum mehr als ein Flüstern, die er nur an das heitere Antlitz seines Cousins richtete.
»Weißt du, Dalman«, murmelte er, »mir ist gerade etwas eingefallen. Als wir in Feenquell waren, hat die Königin dir etwas über deine Zukunft erzählt. ›Du wirst die Flammen des Krieges sehen‹, sagte sie zu dir, ›wirst mitten darin sein und dein Herz wird mit dem gleichen Feuer brennen.‹ Ich glaube, du hast damals nicht wirklich verstanden, was sie damit sagen wollte. Ich glaube, jetzt habe ich es begriffen.«
Elfhall warf schnell die Fackel in den Scheiterhaufen, ehe er nicht mehr die Kraft dazu haben würde. Das trockene Holz brannte schnell und lichterloh und hoch, sodass seine Flammen den Himmel zu berühren schienen.
Draußen, vor den Mauern der Feste, wurde noch immer gekämpft.
Der Kampf war die ganze Nacht über nie vollständig erlahmt. Gegen Morgen jedoch schien er wieder heftiger zu toben. Die Bogenschützen unterhalb der Festung hatten wieder damit begonnen, die Verteidiger zu beschießen, und drinnen fürchtete man, dass der Feind mit dem Rammbock zurückkommen könnte. Rufe und Befehle hallten von den Mauerringen und hinab in die Ebene.
Im äußeren Hof auf der Südseite vor der Barrikade lief Greyannah fast verzweifelt im Kreis herum.
»Was soll ich jetzt tun?«, überlegte er laut. »Wenn ich sie hinausschicke, gibt es wieder so ein Massaker wie gestern. Das Verhältnis ist zehn zu eins, völlig ausgeschlossen, das geht nicht. Andererseits, wenn wir hierbleiben, wissen die da draußen das Zeichen zu deuten und kehren mit dem Rammbock zurück. Dabei ist unser Südtor schon zur Hälfte niedergerissen. Sie werden es vollends einrennen und wir werden hier in diesen verfluchten Wänden enden wie die Maus in der Falle.Was soll ich also tun?
Eine wunderbare Situation, Greyannah, wirklich eine ganz wunderbare Situation, herzlichen Glückwunsch! Einen Ausfall beim Südtor machen, während die Bogenschützen den Feind im Norden unter Beschuss nehmen und so beschäftigen? Ja, das könnte gehen, aber es sind so viele, dass man sie unmöglich überraschen kann … Und dann? Ganz egal, wie ich mich entscheide, es wird immer eine Katastrophe! Vandriyan, her zu mir!«
Vandriyan, der am Tor
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