Gefaehrten der Finsternis
gab viel zu tun, und er war glücklich, dass er seine Hilfe anbieten konnte, um damit jeden freien Moment seiner Zeit zu füllen. Irgendwie war es ihm bisher gelungen, seinen Kopf nicht mit dem Geschehenen zu belasten, und niemals das, was er getan hatte, rational zu überdenken. Bis zu diesem Moment, bis zu dieser Nacht war alles bestens gelaufen. Und nun hatte ihn unversehens das Geräusch des Regens mitten in der Nacht aufgeweckt und draußen wusch eine Sintflut die Spuren der blutigen Schlacht vom Erdboden. Zusammen mit dem prasselnden Geräusch der Tropfen, die auf den Boden fielen, drang der Geruch von Asche in sein Zimmer, und es
war, als ob unter all dem Wasser die Erde noch einmal in Flammen aufging.
Scrubb schloss die Augen und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Jetzt hatte er wieder das Schlachtfeld vor Augen, den Augenblick, bevor alles angefangen hatte.
Gylion machte Scherze. Seit Beginn der Schlacht tat er nichts anderes. Er wirkte erregt, und Scrubb, der daran gewöhnt war, dass er niemals Gefühle zeigte, es sei denn auf eine höchst distanzierte Weise, hatte das ziemlich befremdet. Aber ihm blieb keine Zeit, darüber nachzudenken oder sich zu wundern - schon lockte ihn wieder die Schlacht, der Geruch des Bluts stieg ihm zu Kopf und erweckte in ihm den wildesten Teil seiner Dämonennatur zum Leben. Damals hatte er keine Skrupel; sämtliche Zweifel, die er in den Tagen vor der Schlacht vielleicht gehegt hatte, hatten sich in Nichts aufgelöst, und er fühlte sich von einer Last befreit, frei, dem Ruf seiner Natur zu folgen.
Auch als ihn der Anblick von Lyannen, dem Halbsterblichen, der sich damit abmühte, den Freund, der für ihn gestorben war, nach Syrkun zurückzubringen, aus diesem Blutrausch wachgerüttelt hatte, hatte Scrubb nicht weiter nachgedacht, weder über den Krieg oder Gylion noch über sonst etwas. Auch nicht über seine Rolle, die er selbst am folgenden Tag erfüllen sollte. Dabei hatte er sich noch nicht entschieden, was er tun würde. Er hatte gehofft, dass sich schon alles von allein regeln würde, und so war es dann geschehen. Bis zu dem Moment, in dem er spürte, dass die Flamme in seiner Brust die Oberhand gewann, hätte Scrubb nicht im Traum gedacht, dass er nur den Bruchteil eines Augenblicks später zum Verräter werden könnte und mit dazu beitragen würde, dass all das, was bislang seine Welt ausgemacht hatte, zerstört wurde. Dass er allen Pflichten und Gesetzen zuwiderhandeln würde, die die strenge Disziplin seines Großvaters, des Generals, ihn gelehrt hatte, und dass er sich gegen die einzige Person - Gylion - wenden würde, die er jemals als seinen Freund betrachtet
hatte. Gegen den Einzigen, mit dem ihn ein Gefühl wie Zuneigung verband.
Er hatte Gylion verraten, dieser Wahrheit musste er nun ins Gesicht sehen. Er war vielleicht der Einzige, dem Gylion je vertraut hatte, und deshalb hatte ihn seine Tat auch so überraschend getroffen. Deshalb konnte er Erfolg haben, wo jeder andere Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Gylion war sich seiner Treue und seiner Unterstützung so sicher gewesen und hätte sich niemals auch nur vorstellen können, dass Scrubb sich gegen ihn erhob. Nur aus diesem Grund war es ihm gelungen, den Ewigen zu helfen und sich gegen das große Unrecht aufzulehnen, das ihn seit so langer Zeit belastete.
Doch er war ein Verräter, hatte das heilige Band der Freundschaft verraten. Auch wenn er - vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben - das Richtige getan hatte. Dafür hatte er den Plan seine besten Freundes, dessen Traum, zunichtegemacht.Auch wenn Scrubb wusste, dass dieser ganze Krieg eigentlich nicht das Werk der Person war, die er Gylion nannte, sondern das Werk der Finsternis selbst, deren Werkzeug Gylion war, so konnte er dennoch nicht abstreiten, dass er den Schlag gegen seinen Freund ganz bewusst geführt hatte. Früher oder später musste er sich dieser Tatsache stellen oder all das würde ihn für den Rest seines Lebens verfolgen. In allem und jedem würde er seinenVerrat wiedererkennen, alles würde ihn wieder und wieder daran erinnern, wie zum Beispiel jetzt der Regen mit dem Geruch nach Asche. Wenn er sich seiner Tat nicht stellte, würde er nie in der Lage sein, die Tür hinter seiner eigenen Vergangenheit vollständig zu schließen, und jeden Moment konnte Gylions Gesicht dahinter auftauchen.
Mit seinem Akt der Rebellion hatte er seinen Leib getötet, das war sein Werk. Die Finsternis, die den Körper
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