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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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herab, dass Scrubb sich einen Moment lang vorstellte, das Wasser könnte immer weiter ansteigen, bis es unter der Tür hindurchdrang und das ganze Zimmer ausfüllte, bis es zu seinem Bett stieg und ihn schließlich ertränken würde.
    Scrubb seufzte und seine Hände strichen in der Dunkelheit über die zerwühlten Laken. Er blieb still auf seinem Bett sitzen und lauschte dem Regen, als ob es nichts anderes auf der Welt gäbe als dieses Unwetter. Er hörte, wie er abnahm, wieder an Stärke gewann und dann erneut schwächer wurde, und jedes Mal, wenn er zu erlahmen schien, setzte er wieder heftiger und stärker ein. Schließlich nahm er doch ein Ende und war nur noch ein fernes Tröpfeln, und in Scrubbs Ohren herrschte die Stille der Nacht, als ob sie niemals etwas durchbrochen hätte. Er stand auf und ging mit langsamen Schritten, fast schlafwandlerisch, zum Fenster. Er stieß wieder die Fensterläden auf und vor ihm lagen die Dunkelheit und der kalte Wind. Der Geruch von Feuchtigkeit hatte sich über den der Asche gelegt und die Luft roch nach regennasser Erde.Auch das Fensterbrett aus Marmor unter seinen Ellenbogen war feucht. Jetzt hatte sich über allem wieder eine absolute Stille ausgebreitet, die nach dem Regensturm vielleicht noch intensiver wirkte.
    Und als Scrubb Vyrkan diese Luft einatmete, spürte er, dass nun das Unwetter wirklich vorbei war.
     
    Bei Tagesanbruch erwachte Lyannen aus einem seiner zahllosen Albträume. Der Gang des Lazaretts lag fast verlassen da, abgesehen von einem Mann mit einem geschienten Bein, der humpelnd
von der Latrine zurückkehrte. Lyannen streckte seine schmerzenden Glieder, gähnte, erschöpft von dem Kampf der letzten Nacht, und wusste, dass er dicke Ringe unter den Augen hatte. Er warf sich seinen Umhang über, der am Kopfende des Bettgestells hing, und glitt aus dem Bett. Ihn überlief ein leichter angenehmer Schauer, als er den kalten Ziegelboden unter seinen Füßen spürte. Der Nachttopf war leer, aber er wollte ihn trotzdem ausspülen, deshalb ging er zur Latrine, und kehrte kurz darauf wieder zurück. Die Müdigkeit lag schwer auf seinen Lidern, zog seinen Kopf und seine Schultern nach unten. Er fühlte sich schmutzig und schweißverklebt und seine Haare lagen feucht am Kopf an. Er ekelte sich vor seinem eigenen Geruch, auch wenn er wusste, dass er nicht stank. Seine Haut selbst roch beißend. »Das liegt daran, dass ich ein Halbsterblicher bin«, sagte er zu sich selbst. »Ich werde mich auch damit abfinden, das ist immer noch besser als zu stinken wie ein Kobold.«
    Jetzt sehnte er sich dringend danach, ein ordentliches Bad mit allem Drum und Dran zu nehmen. Seufzend bückte er sich und suchte in seinen Sachen nach ein paar vorzeigbaren Kleidern. Er überlegte gerade, wo seine blaue Hose wohl abgeblieben war, als die Tür des Lazaretts sich quietschend öffnete. Er drehte sich um und fragte sich, wer das wohl sein könnte, doch der Anblick des Besuchers ließ ihn erstarren.
    Wenn in dem Augenblick noch jemand hereingekommen wäre, hätte sich ihm ein einzigartiges Bild geboten. Im Türrahmen stand Scrubb Vyrkan in seinem langen weißen Gewand, barfuß und mit seinen wie immer zerrauften flammenroten Haaren und starrte Lyannen aus seinen merkwürdigen gelbgrünen Augen an, als ob er ihn nach langer, allzu langer Zeit wiedersähe. Lyannen wiederum trug nur einen Umhang aus rotem Damast, stand wie versteinert mit einem Paar violetter Hosen und einem Seidenhemd über dem Arm da und starrte zurück. Seine Miene
drückte zum einen Erstaunen aus, zum anderen war ihm deutlich anzusehen, dass er sich gerade schrecklich dumm vorkam.
    »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Scrubb. Seinem Tonfall war anzuhören, dass er etwas Wichtiges zu sagen hatte.
    »Ihr stört überhaupt nicht«, entgegnete Lyannen. Er warf seine Kleider aufs Bett und fragte sich, was der andere von ihm wollte. Er war so überrascht von dessen unerwartetem Erscheinen, dass er nicht einmal daran dachte, dass er seinem eigenen Retter und dem Eileens gegenüberstand und dass es vielleicht ganz angebracht wäre, sich bei ihm zu bedanken.
    Sie sahen sich wieder an. Dann lächelte Scrubb, und obwohl seine Zähne ein wenig zu spitz für einen normalen jungen Mann waren, war es dennoch ein sympathisches Lächeln. »Du kannst mich ruhig duzen!«, rief er aus. »Scrubb Vyrkan, sehr erfreut«, sagte er und hielt ihm seine Hand hin.
    Angesichts solcher Unverschämtheit, auch wenn sie in aller Naivität geschah, hätten

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