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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Gegenteil - er erholte sich zusehends, die Wunde hatte sich inzwischen vollständig geschlossen, und eigentlich blieb er bloß noch im Lazarett, weil sein Vater und die Heiler vorsorglich darauf bestanden. Aber seine Freunde informierten ihn so genau über alles, was geschehen war, dass er diesen Hausarrest ohne größeren Protest hinnahm. Es gab so vieles, worüber er nachdenken musste, und dazu eignete sich kein Ort besser als das Lazarett. Die Stille, die Ruhe und die Abgeschiedenheit dort halfen ihm beim Überlegen.
    Es gab ja auch zu viele Neuigkeiten. Tyke war zum König ernannt worden, noch während er nach dem Sieg über seinen Bruder Lucidious schwer verletzt war und zwischen Tod und Leben geschwebt hatte. Aber wirklich unglaublich war, dass der frisch gekrönte Tyke, nachdem er sich dank der außerordentlichen Kunstfertigkeit der Heiler wieder erholt hatte, verkündete, dass er Irdris heiraten wolle. Und Irdris hatte allen Gesetzen ihres Volkes zum Trotz eingewilligt.
    Tyke. Und Irdris. Das war wirklich unglaublich. Na ja, es war nicht zu übersehen gewesen, dass sie ihm gefiel. Und anscheinend war es ihr genauso gegangen. Aber dass sie gleich heiraten würden, kam wirklich völlig überraschend. Sie hatten ja noch nicht einmal miteinander gesprochen, zumindest nicht, soweit er wusste. Und dann war Tykes erster Gedanke, nachdem er den Thron bestiegen hatte, um ihre Hand anzuhalten. Unmöglich. Lyannen musste unbedingt Näheres von Tyke erfahren. Und sobald sich Irdris einmal entfernt hatte, hatte er ihn auch danach gefragt.
    Tyke hatte allerdings nicht viel erzählt. »Ich liebe sie«, hatte er gesagt, als wäre das Erklärung genug. »Und dann hat sie mir das Leben gerettet.« Hier hatte Tyke seine Stimme gesenkt und angefügt: »Sie war es, die Lucidious getötet hat, nicht ich.«
    Denn Tyke hatte bis zuletzt Mitleid mit Lucidious gehabt und ihn verschont, was ihn beinahe das Leben gekostet hätte,
aber das wurde ihm erst im Nachhinein klar. Denn als Tyke sich über seinen Bruder beugte, um ihm aufzuhelfen, hatte der ihn hinterrücks niedergestochen. Dieser Stoß hätte ihm bestimmt den Tod gebracht, hätte nicht im selben Moment ein Pfeil Lucidious getroffen. Und selbst danach wäre Tyke noch auf dem Schlachtfeld verblutet, wenn ihn nicht jemand von dort fortgeschafft, notdürftig seine Wunde versorgt und dann nach Syrkun zurückgebracht hätte. Der König der Sterblichen verdankte sein Leben Irdris, der Amazone, in deren Adern auch Ewigenblut floss. Das war nicht nur eine Heirat, das war so eine Art Friedensvertrag.
    Und dann Ventel. Lyannen hatte zwar gesehen, dass er etwas angeschlagen, aber doch wieder so wie früher war. Die Narbe der verfluchten Wunde, in die erneut ein feindlicher Pfeil eingedrungen war, hatte die Farbe gewechselt und war nun nicht mehr schwarz, sondern weiß. Ein Wundmal wie viele andere auch. Das Schicksal hatte es gewollt, dass dieser neue Treffer die Folgen der ersten Verletzungen aufgehoben hatte.Ventel war wieder er selbst, war wieder der Bruder, den Lyannen kannte; allerdings lag ein Schatten Wehmut tief in seinen Augen, der auch auf immer dort bleiben würde. Denn niemand kann das Leid vergessen, das er zu ertragen hatte.
    Eileen war gerettet, Ventel wieder er selbst, Tyke zum König gekrönt und Slyman hatte den Einsamen und auch seine wahre Bestimmung gefunden - Lyannen hätte eigentlich behaupten können und wollen, dass alles ein gutes Ende gefunden hatte. Die Mission der Rebellen war beendet, das Schwarze Heer besiegt, seine versprengten Reste wurden gerade noch vom Geflügelten Sturm und den Berittenen Blitztruppen verfolgt und vernichtet. Daher konnte das Ewige Königreich den neuen Frieden feiern, von dem man hoffte, dass er diesmal ewig währen würde. Man plante bereits die triumphale Rückkehr der Truppen nach Dardamen. Der einzige Wermutstropfen war die Nachricht, dass
Sire Myrachon in seinen Gemächern lag und das Bewusstsein nicht mehr wiedererlangte. Die Klinge, die ihn verwundet hatte, war die einer Talethwaffe, und dieser Hieb war tödlich. Allen Bemühungen der Heiler und auch Zauberkräften zum Trotz gab es keine Anzeichen von Besserung. Auch Slyman wusste es, obwohl niemand gewagt hatte, ihm diese Botschaft zu überbringen. Der Sire lag im Sterben. Er würde sterben, ohne dass er sah, wie Frieden in seinem Königreich einzog, doch wenigstens mit dem Trost, seinen Sohn wiedergesehen zu haben. Auch das hätte Lyannen zu der Annahme bringen können, dass

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