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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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sie ernst und überzeugt.
    Lyannen fühlte sich erleichtert, als ob dieses Geständnis ihm eine Last von der Schulter nähme. »Ich hatte tatsächlich gedacht, dass du zumindest darüber nachdenken würdest«, gestand er ihr. »Denn damals war unsere Liebe etwas Verbotenes. Ich dachte, du hättest dich vielleicht nur deshalb für mich entschieden, weil ich der Einzige war, den du nicht auserwählen durftest. Als ein Akt der Rebellion oder was auch immer.« Mit einem verunglückten Lächeln sah er sie an. »Es hört sich fast lächerlich an, nicht wahr? Verzeih mir bitte, ich habe nun mal die schlechte Angewohnheit anzunehmen, alle anderen denken genauso wie ich. Und ich habe bisher in meinem Leben beinahe alles getan,
weil ich gegen etwas rebellieren wollte.Wogegen, weiß ich selbst nicht so genau. Gegen die Regeln der Ewigen, vielleicht. Gegen ihre Denkweise.«
    Eileens Augen funkelten im Dämmerlicht, blickten forschend zu ihm hinüber. Fast schien es, als würden ihre hellen Augen ein eigenes Licht verströmen. »Auch, als du beschlossen hast, mich zu lieben?«, fragte sie ganz sanft. »War das auch ein Akt der Rebellion?« Dabei war ihrer Stimme weder Wut noch Schmerz anzuhören, ja nicht einmal Besorgnis oder irgendein anderes Gefühl, das Lyannen von ihr erwartet hätte.
    Irgendwie fühlte er sich jetzt erleichtert. »Nein«, antwortete er. »Ganz im Gegenteil. Das war eines der wenigen Dinge, gegen die ich mich nicht auflehnen konnte.« Nun beugte er sich zu ihr hinüber, denn er wollte nicht, dass irgendjemand anderes die Worte hörte, die er ihr sagen wollte, keiner der anderen Patienten, die in den Betten nebenan lagen, auch nicht die Wache, die am Ende des Korridors verschwunden war und vielleicht bald wieder auftauchte, noch der Heiler, der zu dieser Uhrzeit normalerweise nach ihnen schaute. »Ich wusste nur zu gut, diese Liebe würde mich in Schwierigkeiten bringen. Und dass ich selbst dann, wenn du mich ebenfalls gern haben würdest, noch gegen den Rest der Welt ankämpfen müsste. Doch ich hatte keine Wahl. Sonst hätte ich mir das vielleicht sogar erspart. Ich bin überhaupt nicht so, wie du denkst, Eileen. Aber ich konnte nicht anders, ich musste dich lieben, und auch jetzt hat sich daran nichts verändert. Deshalb bin ich aus Dardamen aufgebrochen, nicht, weil ich irgendetwas beweisen musste. Ich musste es einfach tun.«
    Er schwieg, und sie erwiderte nichts darauf. Beide blieben still so sitzen und sahen einander nicht an. Eileen beobachtete den Widerschein der tanzenden Flammen auf der Wand, Lyannen schien in irgendwelche Gedanken versunken und starrte ins Leere.

    »Ich bin froh, dass du es einfach tun musstest«, sagte sie schließlich, ohne ihn anzublicken.
    Lyannen nickte. »Ich auch.«
    Dann beugte sie sich zu ihm hinüber und er lehnte seinen Kopf an ihre Schulter. Ihre Haare dufteten leicht nach Blumen, was Lyannen an einen bestimmten untätigen Vormittag im Frühling am Ufer des Silberstroms in Dardamen erinnerte, als er ihr auf seiner Harfe eine Ballade vorgespielt hatte. Sie hatte ihm zugehört und gelacht, und er hatte gedacht, dass irgendwo in diesem strahlend blauen Himmel über ihnen die Götter saßen und wohlwollend auf sie herabblickten. Na ja, die Götter waren wohl anderweitig beschäftigt, das hatte ihm der Krieg gezeigt, denn keiner von ihnen war herabgestiegen, um den Herrn der Finsternis niederzustrecken, keiner hätte ihm Eileen wiedergebracht, wenn er nicht selbst den verrückten Versuch unternommen hätte, sie zurückzuholen. Jetzt saß Eileen tatsächlich neben ihm, viel näher als an jenem längst vergangenen Vormittag in Dardamen, der vielleicht auch nur ein Traumbild war, so fern und unwirklich schien er ihm nun.Wirklich war dagegen die Wärme von Eileens Hand neben ihm, der Blumenduft ihrer Haare, der sich in die Medizingerüche des Lazaretts mischte. Alles andere war unwichtig.
    Er legte einen Arm um die Schulter seiner Verlobten und spürte, dass dies weit mehr Mut von ihm verlangte, als der Finsternis seinen Zorn ins Gesicht zu schreien oder sie herauszufordern. »Sag mir, dass wir nie mehr getrennt werden«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    Und ohne hinzuschauen, konnte er spüren, dass Eileen lächelte. »Ich denke nicht, dass irgendwer das jetzt noch schaffen könnte, selbst wenn er sich wirklich bemühte«, antwortete sie.
     
    Theresian hatte recht behalten, Lyannen benötigte noch ein paar Tage Ruhe. Seine Lage war allerdings nicht besonders ernst, ganz
im

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