Gefaehrten der Finsternis
es doch irgendwie ein gutes Ende war.
Doch es gelang ihm nicht.
In den langen und stillen Nächten im Lazarett konnte er keinen Schlaf finden. Er wälzte sich auf seinem Lager hin und her, schrak plötzlich hoch und ließ sich dann wieder wie ein Stein nach hinten auf die Matratze fallen. Zuweilen fuhr er auf, als wäre sie aus glühendem Eisen, dann hieb er mit Fäusten auf seine Kissen ein und legte sich erschöpft und beunruhigt wieder hin. Durch seine Träume geisterte immer noch das blasse, höhnisch grinsende Gesicht des Herrn der Finsternis. Er steckte in jedem Winkel, in jeder Ecke. Er beobachtete ihn heimlich aus dem Schatten heraus. Lyannen fühlte seine beunruhigenden leuchtenden Augen in jedem Moment auf sich gerichtet. Dieses Antlitz war immer da und belauerte ihn. Lyannen konnte es nicht sehen, aber er wusste, dass es da war, dass es immer wach und allgegenwärtig war, dass diese Geißel der Welt wiederkehren würde, um sich zu rächen. Er hörte seine eiskalte Stimme durch die Stille der dunklen Räume hallen - eine Stimme, die nur zu ihm sprach, da nur er sie hören konnte. »Ich bin immer noch da«, sagte sie, und die blassen Lippen des Herrn der Finsternis verzogen sich in einer grausamen Grimasse, »ich bin immer noch hier, ihr irrt euch, wenn ihr denkt, dass ihr mich getötet habt, ihr jämmerlichen Toren, denn ich bin noch da und warte im Schutze der Dunkelheit auf den
günstigsten Moment, um euch zu vernichten.« Und damit wurde die Stimme immer schriller und verwandelte sich in ein schreckliches Lachen. Lyannen lief ein Schauder den Rücken hinab, und er wusste, dass es noch nicht vorbei war.
VIERUNDDREISSIG
M ITTEN IN DER Nacht hatte es plötzlich zu regnen begonnen. Das laute Rauschen des Wassers vor dem Fenster hatte Scrubb Vyrkan aus seinem unruhigen Schlaf gerissen. Er war aufgestanden, war mit nackten Füßen über den kalten Ziegelboden zum Fenster gelaufen und hatte die Läden aufgestoßen. Draußen kam der Regen heftig, sturzbachartig herunter, als ob jemand irgendwo dort oben plötzlich die Schleusentore geöffnet hätte. In der Stille der Nacht schien ihm dieser lautstark prasselnde Wolkenbruch wie ein Vorzeichen für den Weltuntergang. Dieses Unwetter war völlig überraschend gekommen, am Abend hatte sich am Himmel noch keine Wolke gezeigt. Doch während er schlief, musste es sich dann aufgetürmt haben und entlud nun seinen geballten Zorn auf die verlassene Ebene, auf der vor knapp einer Woche eine der größten Schlachten in der Geschichte der Ewigen ausgetragen worden war.
Das Wasser peitschte unablässig auf das dunkle Erdreich ein, in dem das Feuer gewaltige Schäden angerichtet hatte, und ließ wieder diesen Brandgeruch aufkommen, der nun Scrubb in die Nase stieg. Der stand am Fenster, stützte sich mit den Händen auf dem Fensterbrett ab, ließ sich mit halb geschlossenen Augen den Wind über das Gesicht streichen und spürte genießerisch die Nässe der Regentropfen auf seinen Lippen. Dieser Geruch erzählte eine Geschichte, zeugte von zerstörten, aber unvergessenen und nun
unwiederbringlich verlorenen Dingen. Scrubb selbst hatte dieses Feuer entzündet und hatte sich frei dabei gefühlt, so frei wie vielleicht noch nie zuvor in seinem ganzen Leben. Und er hatte im selben Moment gewusst, dass es kein Zurück mehr geben würde. Doch der Drang in seiner Brust war unwiderstehlich gewesen. Er hatte das Feuer entzündet und hatte dabei weder Reue noch Bedauern empfunden.Während die Flamme sein gesamtes bisheriges Dasein verzehrte und sämtliche Verbindungen zu seinem früheren Leben eine nach der anderen zerstörte, hatte er von oben zugesehen, glücklich das Werk der Zerstörung bis zum letzten Moment verfolgt. Danach war sein Kopf leer gewesen. Als seine Kräfte schwanden, war er wieder zur Erde herabgeschwebt und hatte sich mitten in den rauchenden Trümmern zum Schlafen niedergelegt. Als er erwachte, war nichts mehr so wie vorher gewesen und würde es auch nie wieder sein. Die Ewigen lächelten ihm zu, er durfte unter ihnen weilen, ohne dass sie fürchteten, er könnte hinterrücks seinen Säbel ziehen, und das kam ihm auch nicht in den Sinn. Hohe, klare Stimmen hatten die schmeichlerische, betörende Gylions ersetzt, und er wunderte sich, dass er seinen ehemaligen Herrn überhaupt nicht vermisste. Die Welt um ihn herum, seine Welt war in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt und Scrubb Vyrkan war Verräter und Held zugleich.
Er dachte nicht weiter darüber nach. Es
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