Gefaehrten der Finsternis
fort, der vielleicht nichts gehört hatte oder nichts hatte hören wollen. »Dann bin ich zu ihrem Dorf gekommen. Sie waren gerade in ziemlichen Schwierigkeiten; ein Drache war dort in der Gegend, der alles verwüstete. Sie haben mich gesehen, mit meiner weißen Haut und großen Statur, und statt mich abzuschlachten, haben sie mich gegen den Drachen ausgeschickt. Ich konnte mich ihm stellen und vielleicht dabei draufgehen oder fliehen und mich retten.«
»Ich hoffe, du hast dich nicht wieder davongemacht!«
»Einen Moment lang habe ich mit dem Gedanken gespielt«, gestand Viridian, »doch schließlich habe ich beschlossen, dass ich bleiben und mich dem Drachen stellen müsste. Und dann habe ich ihn erlegt, auch wenn ich nicht weiß, wie.« Er lächelte. »Sie haben mich praktisch zu ihrem Gott gemacht. Ich habe ihre Sprache erlernt, bin hier bei ihnen geblieben und führe seitdem ein herrliches Leben.Weißt du, jedes Wort von mir ist hier Befehl.«
»Herzlichen Glückwunsch«, rief der Einsame verärgert. »Weißt du, dass da draußen ein erbitterter Krieg tobt, bei dem die Freiheit des Königreichs auf dem Spiel steht? Und wo bist du? Du lässt es dir hier gut gehen!«
»Na, das sagt gerade der Richtige: ein einsamer Wanderer, der sich von allem lossagen will«, gab Viridian mürrisch zurück. »Außerdem bin ich im Gegensatz zu dir ein Deserteur und kann gar
nicht mehr in den Kampf ziehen. Also, wenn hier einer von uns ein Verräter an seinem Land ist, dann doch wohl du!«
Der Einsame erwiderte nichts, musste aber zugeben, dass die Worte des Fremden seinen Stolz trafen. Aber: Musste er sich wirklich vor einem Fahnenflüchtigen schämen?
»Was sind das hier für Wesen?«, fragte er stattdessen.
»Ich an deiner Stelle würde nicht fragen, ›was‹ die sind«, sagte Viridian, bei dem immer noch Zorn in der Stimme mitschwang. »Vergiss nicht, du bist immer noch ihr, oder besser gesagt: unser Gefangener. Sie sind das edle und uralte Volk der Droqq.«
»Uralt, das mag angehen«, sagte der Einsame. »Edel würde ich sie wirklich nicht nennen. Sie sind doch nicht mehr als Wilde.«
»Ich habe dir ja gesagt: du solltest nicht schlecht von ihnen reden, solange du hier gefangen bist... Hier nehmen Gefangene meistens ein schlimmes Ende.«
»Was für ein schlimmes Ende meinst du?«, fragte der Einsame und versuchte, beiläufig zu klingen.
Viridian setzte sich auf den Hocker und schlug die Beine übereinander. »Sie sind Jäger«, erklärte er mit einem bösen Lächeln. Tja, und für sie bist du nun mal, na ja, Jagdbeute.«
Der Einsame nickte. »Die lebend verzehrt wird?«
»Nein, nicht lebend«, verbesserte ihn Viridian. »So wild sind sie wirklich nicht. Aber mit dem Rest liegst du leider völlig richtig.«
»Und du würdest nichts tun, um das zu verhindern?«, fragte der Einsame scheinbar gelassen. »Du bist doch schließlich ein Gott oder so etwas in der Art?«
»Das kommt darauf an«, meinte Viridian und grinste wieder breit. »Wer weiß das schon.«
»In Ordnung, ich habe verstanden, ich werde schon allein damit fertig.« Der Einsame warf ihm einen zornigen Blick zu. »Ich werde dich umbringen und dann gehen. Aber dafür muss ich mir mein Schwert zurückholen.«
»Das willst du doch nicht wirklich tun!« rief Viridian aus. »Mardyan! Warte!«
Der Einsame, der schon an der Tür stand, drehte sich um. »Ruf mich nie wieder bei diesem Namen!« sagte er leise. »Nie mehr, hast du verstanden?«
»So ganz ohne Waffen gehst du nirgendwo hin!«, rief Viridian. »Du verstehst es immer noch nicht, du armer Irrer! Sie sind zahlreicher als du und sie sind bewaffnet. Sie werden dich erschlagen wie ein Tier.«
Der Einsame starrte ihn mit glühendem Blick an. »Und was kümmert mich das? Ich bin kein erbärmlicher Feigling wie du! Ich sterbe lieber in Ehren, als dass ich hier weiterlebe und mich von der Gnade eines Verräterhundes abhängig mache, der sich für einen Gott hält!«
»Ich bin kein Verräter«, zischte Viridian. »Auch ich habe meinen Stolz!«
»Den du allerdings sehr gut versteckst, wenn du es genau wissen willst«, gab der Einsame zurück. »Du bist hier, schlägst dir deinen Bauch voll und lässt dich von verwilderten Wesen bedienen, die dich für ihren Erretter halten. Statt einem von deinem Volk zu Hilfe zu eilen, erlaubst du dir, mit Leben und Tod deine Scherze zu treiben. Wenn ich dir von dem Leid da draußen erzähle, nennst du mich einen Verräter, obwohl du nicht einmal einen Bruchteil
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