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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Feinde!«
    Der Einsame blieb einige Zeit mit gesenktem Kopf stehen. Schließlich hob er den Blick und in seinen violetten Augen brannte ein neues Feuer.
    »Ja«, sagte er. »Sie werden für alles bezahlen. Für all das Blut. Bis zum letzten Tropfen.«
     
    Die Sonne stand wieder hoch in der Einöde und brannte heiß herab. Der Schatten eines jämmerlichen verdorrten und kahlen Baumes bot nur unzureichend Schutz. Slyman war über die dünnen Seiten seines Buches gebeugt und las die zierliche Runenschrift. Er las, um sich die Zeit zu vertreiben, um nicht über die Hitze nachzugrübeln und vor allem, um sich von seinem unerträglichen Durst abzulenken. Hier draußen gab es kein Wasser, seine Trinkflasche war so gut wie leer und er konnte nicht mehr so viel trinken, wie er wollte. Und dann diese schrecklichen schlaflosen Nächte! Das Ende seiner Reise war immer noch nicht abzusehen.
    Zum Glück hatte er dieses Buch. Das Buch mit den alten Heldenepen, das man ihm in der Letzten Stadt geschenkt hatte, erwies sich in diesen trostlosen Momenten als Segen. Er öffnete es, las die erhabenen Worte der Ewigen Vers für Vers, oft auch laut. Einige dieser Gesänge hatte er schon vom Einsamen gehört, der sie auf langen Märschen gedankenversunken rezitiert hatte, doch
die meisten waren ihm unbekannt. In den Heldengesängen ging es vor allem um Liebe und Kampf, Magie und Prophezeiungen, die Abenteuer der Zwanzig zu Anbeginn der Zeiten bis zur Legende von Sire Gandrivald, der blutjung sein Leben für die Rettung des Königreiches geopfert hatte. Dann waren da die Erzählungen von den Geflügelten, den legendären Drachenreitern, die Sagen von den Druiden, die im Dunkel der Zeiten einen Kreis im Norden errichtet und in jeden seiner Steine Prophezeiungen eingeritzt hatten. Die Geschichten faszinierten Slyman so, dass er jedes Zeitgefühl verlor, wenn er sich in seine Fantasien von Abenteuern, Schlachten und Ruhm versenkte. Er träumte vor sich hin, fantasierte wie im Fieberwahn wegen der übergroßen Hitze und stellte sich vor, dass die zarte Hand, die diese Zeilen geschrieben hatte, einer Prinzessin gehörte, die vom Feind gefangen gehalten wurde und die er retten wollte. Und auf dem Weg dorthin musste er unendliche Proben bestehen, ganz wie die Helden, von denen er las. Sein Staunen war groß, wenn er in mancher uralten Prophezeiung tatsächlich vorgefallene Ereignisse wiedererkannte, die der Einsame ihm als als wirkliche Begebenheit geschildert hatte.
    In Augenblick las er wieder so eine uralte Prophezeiung, die ausführlich das zu beschreiben schien, was gerade geschah. Die Vorzeichen des Krieges entsprachen der Wirklichkeit, der Feind war bis ins Detail geschildert. Manch eine versteckte Andeutung wies sogar auf die Mission der Rebellen hin. Slyman blätterte hektisch in den Seiten. Da musste doch etwas über das Ende des Krieges stehen, irgend eine Andeutung, nur ein einziges Wort! Vielleicht hatte er die richtige Stelle gefunden. Vielleicht. Dieser Jahrtausende alte Text klang so rätselhaft. Er sollte ihn besser aufmerksamer und laut lesen. Also räusperte er sich und begann:
    Da wird sein ein gewaltiges Blutbad, doch die Erde bebt umsonst: Die schreckliche Horde der Schwarzen Truppen verheert wie ein Sturm das ganze Land.

    Die Schwerter gezückt, die Reihen geschlossen, kämpfen Verräter und Helden tapfer gegen den Tod;
    Doch der Feind ist noch stärker als alle Helden und viel Volk wird fallen vor dem Ende.
    Dann wird geschehn, was geschehn soll, nach Jahren finden sich Vater und Sohn.
    Der Verlorene und der Verschollene kehren zurück ins Schlachtengetümmel.
    Der Tod wird kommen auf schwarzen Flügeln, Flammen verdunkeln das Firmament.
    Der mutige König zieht in die Schlacht und die Finsternis zeigt ihr wahres Gesicht.
    Der Edle entdeckt seine Herkunft, der Freund wird den Freund verraten.
    Die letzten Schleier werden sich lösen und enthüllen die innere Flamme.
    Viele werden fallen und nie wieder auferstehen, doch andere werden sich hoch erheben.
    Stein wird zerbrechen und in sich zerfallen und weitere Kunde mein Mund nicht mehr weiß.
    So endete die Prophezeiung, zumindest, soweit sie im Buch wiedergegeben wurde. Doch Slyman hatte den Eindruck, dass viel von dem, was er gelesen hatte, völlig unklar war. Und eigentlich sah es nach diesen Worten so aus, als würde schließlich der Feind triumphieren.
    Endlich brannte die Sonne nicht mehr so stark.Verwirrt steckte Slyman das Buch ein und machte sich wieder auf den

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