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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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höchstwahrscheinlich an dem Mord an einem der Ersten beteiligt war.
    »Mein Vater«, antwortete Viridian, und in seiner Stimme schwang plötzlich Stolz mit, »war einer der Ersten. Albatar Drachenflügel, um genau zu sein. Er war der Erste, der einen Drachen zähmte und auf ihm ritt, und vielleicht konnte ich deshalb eines von diesen Untieren ganz allein erschlagen, weil ich schon von klein auf mit ihnen vertraut war. Mein Mutter hieß Livadrien. Ich hatte auch eine kleine Schwester, Elthria. Ich bin am Tag der Schlacht von Armanhal desertiert: Es war das letzte Mal, dass ein Drache im Heer der Ewigen kämpfte. Dieser Drache war ein schönes Tier, mein Vater hatte ihn gezähmt, und er wurde getötet, als er mich und die Leiche meines Vater beschützte.«
    Wortlos starrte der Einsame ihn an. Alles passte zusammen: der ruhmreiche Tod seine Bruders Albatar, die Geschichte mit dem Drachen, der Name von Frau und Tochter. Und tatsächlich war Albatars ältester Sohn, der damals erst fünfhundertundsechs Jahre alt war, bei eben jener Schlacht von Armanhal verschollen. Man hatte vermutet, dass die Schwarzen Truppen sich der Leiche bemächtigt und auch den armen Jungen entführt hätten. Aber ja, er erinnerte sich genau daran. Er selbst hatte danach ein Blutbad unter den Feinden angerichtet, rasend vor Zorn und Schmerz über den Verlust seines Bruders und seines Neffen, den er geliebt hatte. Also Viridian … Nein, er konnte sich kaum vorstellen, dass er und der junge Sohn Albatars ein und derselbe sein konnten. Und falls das wirklich so war, hatte er sich sehr verändert. Albatars Frau und Tochter wurden Jahre später in jenem Hinterhalt getötet, bei dem auch Laila und seine eigenen Kindern ihr Leben gelassen hatten. Ja, es gab keinen Zweifel: Alles passte zusammen. Doch der Einsame hielt immer noch sein Schwert auf Viridian gerichtet. Etwas fehlte noch.
    »Wenn du wirklich Albatars Sohn sein willst«, befahl er, »dann sag mir deinen wahren Namen.«

    Viridian seufzte und fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe. Man konnte die Spannung fast mit Händen greifen.
    »Mein wahrer Name«, flüsterte Viridian, »lautet Eilgrid: Sternenkind. Denn ich wurde unter dem Abendstern geboren.«
    Nun folgte ein endlos scheinender Moment des Schweigens. Die stolzen Augen des Einsamen starrten in die von Viridian. Würde er ihm Glauben schenken? Würde er sein Schwert senken oder würde er zuschlagen? Mit einem kleinen Hieb hätte er Viridian die Kehle durchschneiden und ihm damit den Tod bringen können.
    Doch dann senkte der Einsame langsam seinen Arm, ließ das Schwert mit einem Klirren zu Boden fallen und schloss Viridan wortlos in die Arme, eine Geste, in der Zärtlichkeit und Verzweiflung zugleich lag. Erst nach längerer Zeit ließ er ihn wieder los und betrachtete ihn gerührt, während ein väterliches Lächeln seine Lippen umspielte.
    »Ich hätte dich nicht wiedererkannt, selbst wenn du es mir gleich gesagt hättest«, sagte er. »Du hast dich so stark verändert, dass nicht einmal dein Vater dich wiedererkannt hätte. Ich erinnere mich nur allzu gut an dich und an ihn! Aber kann es wirklich sein, dass du dich nicht mehr an mich erinnerst? Sicher, es ist viel Zeit ins Land gegangen, aber mein Name müsste dir doch etwas sagen. Ich war der Bruder deines Vaters und sein Freund. Und ich war der Vater von Dormion, der wiederum dein Freund war, und von Thelnix, die du zur Frau nehmen wolltest.«
    In Viridians Auge glitzterte eine Träne. »Thelnix«, flüsterte er. »Ihr seid … Aber ja. Jetzt erinnere ich mich, ich erinnere mich an alles.Thelnix! Sie war die einzige Frau, die ich je geliebt habe. Nur ihretwegen würde ich zurückgehen. Ich bitte dich, sag mir, dass es ihr gut geht, dass sie lebt und dass sie auch ohne mich glücklich ist.«
    Der Einsame senkte stumm seinen Kopf und antwortete dann: »Sie ist tot. Sie starb, weil ich einen Moment lang unaufmerksam
war. Und mit ihr ihre Mutter, deine Mutter und deine Schwester. Und mit ihnen der Mann, der ich einst war«, fügte er hinzu.
    Viridian ergriff die große, starke Hand des Einsamen und hielt sie fest in seinen weißen und schlanken Händen. »Wir sind Blutsverwandte«, sagte er feierlich. »Und Brüder im Unglück. Und nun, da wir uns wiedergefunden haben, möchte ich, dass nichts uns jemals wieder trennt. Gemeinsam werden wir in diesem Krieg nun Rache üben, für all die Männer und Frauen und Kinder, die wir verloren haben. Das Blut unserer Lieben gegen das unserer

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