Gefaehrten der Finsternis
Handeln.«
»Wie bitte?« Tyke schaute verwundert auf.
»Du sollst mir erklären, warum du desertiert bist«, fuhr Scrubb ihn an.
»Weil mir dieser Krieg nicht gefällt«, antwortete der junge Mann, und auf einmal klang seine Stimme sicherer. »Und zwar ganz und gar nicht.«
»Mir gefällt er auch nicht, aber es gibt Pflichten, die man erfüllen muss«, sagte Scrubb.
»Und außerdem, weil ich kein Verräter bin«, fuhr Tyke fort und hörte sich jetzt noch überzeugter an.
Scrubb unterdrückte ein Kichern. ›Weil ich kein Verräter bin.‹ Der war wirklich gut! Wirklich eine tolle Entschuldigung, eine der besten, die er je gehört hatte. »Verzeih mir bitte: Kommt es deiner Meinung nach etwa keinem Verrat gleich, wenn man desertiert?
»Nein, Herr«, erwiderte Tyke. »Das heißt, eigentlich schon, Herr, aber ich bin desertiert, weil ich einen viel schlimmeren Verrat begangen hätte, wenn ich geblieben wäre.«
»Halt, still, ich kann dir nicht folgen«, sagte Scrubb. »Was für einen Verrat hättest du denn begangen, wenn du hiergeblieben wärst?«
»Verrat an dem Bündnis«, erklärte Tyke, als wäre das das Natürlichste auf der Welt. »An dem Bündnis mit den Ewigen.Was vorsah, dass wir ihnen hilfreich zur Seite stehen, wenn sie sich verteidigen müssen. Und nicht, dass wir sie angreifen.«
»Stimmt.« Scrubb nickte. Daran hatte er nicht gedacht. Tatsächlich hatte wohl keiner mehr daran gedacht. »Du hast Glück«, setzte er hinzu.
»Warum?« Einen Augenblick lang erhellte so etwas wie ein Lächeln das Gesicht des jungen Sterblichen.
»Die übliche Strafe für einen Deserteur ist der Tod oder lebenslange Kerkerhaft«, erklärte ihm Scrubb. »Wäre mein Großvater hier, hätte er dich bestimmt schon dem Scharfrichter übergeben, noch bevor du ihm deinen Namen hättest nennen können.
Zum Glück für dich bist du an mich geraten. Du hast Mut, mein Kleiner, und ich habe eine Schwäche für mutige Männer. Diesmal lass ich es dir noch einmal durchgehen. Fünfzig Peitschenhiebe, außerdem wirst du einen Mond lang die Latrinen putzen. Das ist eine sehr leichte Strafe, aber glaube ja nicht, dass ich dich wegen deiner Herkunft bevorzuge!«
»Schon verstanden, Herr.« Tyke nickte eifrig.
»Nein, wir haben uns überhaupt nicht verstanden«, schnaubte Scrubb. »Glaubst du, ich weiß nicht, wie ihr Sterblichen seid? Jeder andere an deiner Stelle, der hier noch mit dem Kopf auf den Schultern rausginge, würde sofort zu seinen kleinen Freunden rennen, um ihnen zu erzählen, dass er jetzt der Günstling von General Vyrkan ist.Versuch das nicht einmal!« Er presste die Lippen zusammen. »Sollte mir zu Ohren kommen, dass du das auch nur versucht hast, dann reiße ich dir mit diesen Händen die Eingeweide aus dem Leib und gebe sie dir zu fressen. Ist das klar?«
Tyke schluckte. »Glasklar, würde ich sagen, Herr.«
»Hoffentlich. Und jetzt verschwinde. Hol dir deine fünfzig Peitschenhiebe ab. Und versuche es nie wieder.«
»Nie wieder«, wiederholte Tyke. »Jawohl, Herr.« Und dann verließ er Hals über Kopf das Zelt.
Slyman war bis zum Umfallen erschöpft, als er den Rand der Ödnis erreichte. Schon seit einigen Meilen hatte allmählich eine kümmerliche Vegetation aus Disteln und dornigem Unkraut den Boden bedeckt. Und nun breitete sie sich zu einer Ebene mit gewundenen Büschen und Bäumchen aus, die sich fast schon als Wald aus niedrigstämmigen Bäumen bezeichnen ließ. Plötzlich entdeckte Slyman das Schild. Es bestand aus altem, termitenzerfressenem Holz und war so eingestaubt, dass Slyman allein bei seinem Anblick husten musste.Verblasste, ehemals schwarze Runen schlängelten sich wie Würmer über das Holz. Slyman blies den Staub fort und las angestrengt:
Oh Fremdling, du hast den Rand der Ödnis erreicht.Vor dir liegt nun der Wald ohne Wiederkehr. Zwei Meilen entfernt von hier findest du den Fluss Schwarzwasser. Endlose Gefahren erwarten dich dort.Tritt ihnen keinesfalls allein entgegen oder du gehst in den sicheren Tod.
Der Text auf dem Schild klang nicht gerade sehr beruhigend. Wenigstens war es zum nächsten Fluss nicht mehr so weit.Vor zwei Tagen hatte er seine Wasservorräte aufgebraucht und kam nun um vor Durst. Außerdem war er völlig verdreckt und wollte sich waschen. Slyman hatte den Wald ohne Wiederkehr schon einmal mit dem Einsamen durchquert. Aber jetzt sollte er ganz allein dort hinein. Diese Idee begeisterte Slyman nicht gerade. Zumindest erinnerte er sich daran, dass der
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