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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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seiner schlanken Finger knacken, lächelte ein wenig und streckte sich entspannt in seiner Hängematte aus. Er klaubte eine orangefarbene Decke vom Boden auf und bedeckte sich damit. Diese Sterblichen waren wirklich komisch! Der Anblick eines nackten Mannes brachte sie fast noch mehr durcheinander als der eines blutgierigen, angriffslustigen Mörderdämons. Berücksichtigte man noch, dass Scrubb wie alle seines Volkes von klein auf daran gewöhnt war, nackt herumzulaufen, konnte er das wirklich nicht verstehen.
    Die Zeltplane wurde mit einem Rascheln ein wenig beiseitegeschoben. »Ist es erlaubt?«, fragte eine unsicher klingende Männerstimme von draußen. Die Stimme eines Sterblichen. Ihrem Klang nach zu urteilen, musste der noch recht jung, schätzungsweise knapp über zwanzig sein.

    Scrubb setzte sich auf. »Los, komm schon herein«, sagte er, und sein Lächeln dazu wirkte nicht sehr beruhigend.
    Der Eingang zum Zelt öffnete sich vollständig. Ein junger, rot gekleideter Sterblicher erschien und zog nervös die Plane wieder hinter sich zu. Wie Scrubb vermutet hatte, war er etwa zwanzig oder knapp darüber, und man konnte ihm ansehen, dass er sich in seiner Haut überhaupt nicht wohl fühlte. »General Vyrkan?«, fragte er leise.
    »General Vyrkan der Zweite, um genau zu sein«, berichtigte ihn Scrubb. »Ich bin Scrubb Thelonious Vyrkan, Enkel von Attilis Rubensis Vyrkan. Aber glaube jetzt nicht, du kämst bei mir besser davon als bei meinem Großvater.«
    Hatte bei der Nachricht, dass Scrubb nicht der gefürchtete General Vyrkan sei, ein Funken Erleichterung das Gesicht des Jungen erhellt, verdunkelte es sich sofort wieder. Scrubb beugte sich vor, um mehr von dem Sterblichen zu sehen, wobei er darauf achtete, dass seine Decke nicht herunterrutschte. Er konnte sich gut vorstellen, was dann wieder los war. Schließlich hatte er ja einen dieser unbegreiflichen Sterblichen vor sich.
    Ein gut aussehender junger Mann, schlank und anmutig, etwa einen Meter fünfundsiebzig groß und drahtig. Er hatte die typisch helle Hautfarbe seines Volkes und die glatten zerzausten Haare fielen ihm in rabenschwarzen und silbernen Strähnen bis zur Taille. Seine grauen Augen waren hellwach, die Nase war gerade und er hatte volle Lippen. Der Jüngling trug elegante Reisekleidung aus kostbarem rotem Brokat mit fein gewebtem goldenen Kragen und Manschetten. Um die Stirn trug er ein feines Golddiadem mit einem blutroten Stein und in den Ohren zierliche Ringe aus Kristall. Schon seiner Haltung konnte man entnehmen, dass er kein einfacher Soldat war. Er musste ein Edelmann sein, eine wichtige Persönlichkeit.
    »Du bist irgendein hohes Tier, was?«, sprach ihn Scrubb an. »Name und Rang.«

    »Tyke von Mirnar, Herr«, antwortete der junge Mann und nahm Haltung an. »Einfacher Soldat Tyke von Mirnar.«
    »Rührt Euch, einfacher Soldat«, befahl ihm Scrubb gelassen. Also war der Jüngling ein Mirnar. Aber sicher, er trug ja das königliche Siegel am Finger. Das hätte ihm eigentlich früher auffallen müssen. Doch der König dort konnte noch keine so erwachsenen Söhne haben. Es musste sein jüngerer Bruder sein.
    »Bist du zufällig das hochwohlgeschätzte Brüderchen von Seiner Majestät, dem König des Nebelreichs?«, fragte Scrubb.
    Tyke nickte. »Jawohl, Herr.Aber wohlgeschätzt würde ich nicht gerade sagen. Mein Bruder wollte mir ans Leben.«
    »War er wütend auf dich, weil du desertieren wolltest?« Die Antwort war absehbar. Jeder wusste schließlich, dass mit dem König überhaupt nicht zu spaßen war.
    »Deswegen und wegen noch ein paar anderer Dinge«, erklärte Tyke. »Ich glaube, dass er mich einfach vom Grunde seines Herzens hasst.«
    »Damit habe ich nichts zu tun«, sagte Scrubb. Er hatte kein Interesse daran, seine Nase in die verzwickten Beziehungen der königlichen Familie zu stecken. »Also leugnest du nicht, dass du desertiert bist?«
    »Ja, Herr«, bestätigte Tyke, doch er fand nicht den Mut, Scrubb dabei in die Augen zu sehen. »Also, ich meine natürlich, nein, Herr. Ich leugne es nicht. Ich habe es zumindest versucht. Man hat mich sofort gefasst.«
    »Du weißt, dass du dich damit schwer gegen jedes geschriebene und ungeschriebene Gesetz vergangen hast?«
    »Ja, Herr. Das weiß ich.« Tyke hielt weiter den Blick auf seine Füße gesenkt. »Und ich erwarte keine geringere Strafe, nur weil ich von edlem Geblüt bin.«
    »Ach, wie tapfer«, sagte Scrubb und seufzte. »Na, dann gib mir mal eine Rechtfertigung für dein

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