Gefährten des Zwielichts
erwartet.«
Chaspard nickte, und dann traten die beiden Kundschafter in den schmalen Schacht. Der zerklüftete Boden verlief sacht bergauf, und schon nach kurzem Marsch hatten sie mehrere Biegungen hinter sich. Das Licht von Gulberts Stab blieb zurück. Wito hörte seinen Begleiter in der Dunkelheit atmen. Er schnüffelte. Wenn Werzaz den Drachen tatsächlich gerochen hatte, dann waren seine Sinne feiner als die des Gnoms.
»Was ist?«, fragte Chaspard und hielt inne.
»Alles in Ordnung«, flüsterte Wito. Er kam auch ohne Licht zurecht und konnte seine Umgebung förmlich erspüren, aber er wusste nicht, wie gut Wichtel sich ohne ihre Sehkraft orientieren konnten. »Im Drachenhort ist es vielleicht etwas heller«, fügte er hinzu.
»Gulbert kann ein lästiger alter Blechkopf sein«, sagte Chaspard unvermittelt. »Aber er ist ein zuverlässiger Auftraggeber. Schon mein Großvater hat für ihn gearbeitet.«
»Ich fürchte, wir haben unseren eigenen lästigen Blechkopf verloren«, erwiderte Wito matt. »Aber Daugrula meinte, er würde wohl wieder auftauchen. Vermutlich dann, wenn man ihn nicht mehr gebrauchen kann. In dieser Hinsicht ist er auch sehr zuverlässig. Aber wir sollten nun still sein - wer weiß, wie weit es noch ist bis zu dem Drachen. Und wenn er uns noch nicht bemerkt hat, müssen wir ihn ja nicht auf uns aufmerksam machen.«
Tatsächlich wurde es nach einer Weile heller vor ihnen. Wito hatte seine Vermutung eigentlich nur geäußert, um Chaspard aufzumuntern; er konnte sich nicht vorstellen, warum ein Drache in seinem Hort ein Licht entzünden sollte. Während Wito sich noch darüber wunderte, endete der schützende Gang so abrupt, dass er erschrocken zurückprallte.
Die Lichtquelle vor ihm war trüber als gedacht, nur ein schwaches Glimmen in einer gewaltigen Grotte. Er hatte die Entfernung bis dorthin überschätzt. Er hielt Chaspard zurück und bedeutete ihm mit Gesten, in Deckung zu bleiben. Aber der Wichtel sah ihn nur ratlos an, und Wito erinnerte sich, dass Chaspard die Zeichensprache der Gnomenkundschafter ja nicht kannte. Wito zog ihn bis zum Ausgang und wies in die Höhle. Beide spähten in den trüb illuminierten Raum und pressten sich eng an die Wand.
Zur Mitte der riesigen Halle hin stieg der Boden an, und er funkelte. Wito schaute genauer hin und erkannte, was da vor ihm lag: ein Berg von Gold und anderen Kostbarkeiten. Alte Waffen, Rüstungen, Truhen und weiterer Zierrat mit eingelassenen Edelsteinen und kunstvollen Ornamenten. All diese Schätze ruhten auf einem Hügel von Münzen in allen Größen, Formen und Maßen. Einige davon waren vom Haufen herab bis dicht vor den Eingang gerollt. Wito kannte keine der Prägungen.
Er hörte, wie Chaspard neben ihm unterdrückt die Luft ausstieß.
Und noch etwas anderes hörte er. Atemzüge, laut und schwer und langsam wie ein steter Windhauch, so dass sie im ersten Augenblick gar nicht auffielen. Oben auf dem Schatzberg, halb vergraben von Gemmen und Edelmetall, streckte sich ein gewaltiger Leib und krönte reglos den Hort.
Der Unkwitt.
Das Licht, das die Kostbarkeiten funkeln ließ, ging weder von dem Drachen noch von dem Schatz selbst aus. Sosehr Wito sich bemühte, er konnte die Quelle des Leuchtens nicht näher bestimmen. Es schien in der Luft selbst zu liegen, vielleicht die ätherischen Überreste des Drachenfeuers, das an diesem Ort über Jahrtausende hinweg dem titanenhaften Bewohner entwichen war.
Einen Augenblick lang stand Wito unschlüssig da. War ihr Auftrag damit erfüllt? Aber vom Gang aus konnten sie nur einen kleinen Teil der Höhle einsehen. Das meiste war durch den Hort verdeckt, und der Drache war kaum mehr als eine schattenhafte Silhouette.
Wito bedeutete seinem Begleiter, im Gang zurückzubleiben, und trat einen Schritt in die Grotte. Chaspard kümmerte sich nicht um Witos Wink. Er schlich zur anderen Seite der Halle und schickte sich an, um das hintere Ende des Drachen herumzugehen. Wito schüttelte den Kopf. Nie wieder, schwor er sich, würde er mit Fremden auf Kundschaft gehen.
Er machte sich klein.
Die verstreuten Münzen um ihn her waren plötzlich so groß wie Felsbrocken. Die Umrisse der Halle und des großen Horts verschwammen. Wito schnappte nach Luft. Ein dumpfer Geruch lag in der Luft. War dieser Geruch vorher schon da gewesen, oder sammelten sich giftige Gase hier am Boden?
Unsicher taumelte Wito zu einer dreieckigen Münze aus polierter Bronze und suchte dahinter Deckung. Er versuchte, ruhiger
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