Gefährten des Zwielichts
zu atmen, und achtete darauf, ob ihm schwindlig wurde. Aber nichts geschah.
Wie blank die Münze vor ihm war! Wie lange lag sie schon hier? Wito konnte sich nicht vorstellen, dass der Drache Tag für Tag sorgsam seine Schätze blank rieb. Trotzdem glänzte der Hort im diffusen Licht, und alles Metall schien makellos und ohne Flecken.
Wito schlich weiter. In einem Bogen näherte er sich dem großen Haufen aus Gold und Edelsteinen und weniger edlen, doch alten Artefakten. Er verließ sich nicht allein auf seine winzige Gestalt, sondern nutzte jede Deckung. Davon gab es reichlich: Nicht nur Münzen waren vom Schatz des Drachen fortgerollt, auch andere Kostbarkeiten lagen überall in der Höhle verstreut: silberne Teller und juwelengesäumte Pokale, Diademe, Ketten und Ringe, Broschen, prachtvolles Pferdegeschirr und vieles mehr.
Hoffentlich ließ Chaspard sich davon nicht in Versuchung führen. Auch wenn sie wie verloren auf dem Boden lagen, würde Grautaz jeden Raub seiner Kleinodien bemerken. So viel wusste Wito von Drachen. Sie konnten es sich nicht erlauben, den einen, den wichtigen Schatz wegen irgendwelcher Beute an Gold und Edelsteinen aufs Spiel zu setzen.
Der Hort ragte vor Wito auf wie ein zerklüfteter Berg. Der Atem des Drachen pfiff wie ein Wind, der sich weit oben unter der nicht mehr sichtbaren Decke des Gewölbes verlor. Nach einem längeren Marsch stand der Gnom an einer Schmalseite des Haufens.
Aus diesem Blickwinkel konnte er nichts Genaueres erkennen, denn Grautaz thronte hoch über ihm und war so gewaltig, dass seine Umrisse verschwammen. Nirgendwo in der Nähe gab es eine Deckung, die Wito erlaubt hätte, die Gestalt zu wechseln und sich einen Überblick zu verschaffen.
Ein Stück entfernt lagen zwei Rüstungen, aber die schienen ihm nur ein unzureichender Schutz vor den durchdringenden Augen des Unkwitt zu sein. Außerdem war Wito sich nicht sicher, ob diese Rüstungen noch zum Schatz gehörten, oder ob sie wohl die Überreste wagemutiger Herausforderer bargen.
Ein Schauder lief dem Gnom eiskalt den Nacken hinab. Und dann bemerkte er, dass der Atem des Drachen verstummt war.
Die Sonne stand noch am Himmel, als Gibrax den Ausgang erreichte. Vor ihm fiel das Licht durch die dreieckige Öffnung und zeichnete eine scharf umrissene helle Fläche auf eine Wand des Gangs. Der Troll hielt inne und starrte auf den Lichtfleck, als wäre er vom bloßen Anblick schon zu Stein erstarrt. Seine Haut juckte.
Endlich, Zoll um Zoll, schob er sich weiter vor. Kurz vor dem Ausgang, immer noch im Schatten, streckte er vorsichtig eine Hand aus. Er schloss die Augen, seine Finger tauchten ins Licht, und er konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.
Aber nichts geschah.
Nicht einmal ein Kribbeln auf der Haut. Der Tag war weit fortgeschritten, und die Sonne schien nur noch schwach. Daugrulas Zauber schützte ihn.
Gibrax atmete auf, kroch aus dem Gang hinaus und richtete sich auf. Die Sonne stand wie ein bleicher Ball in einer Kerbe zwischen den Gipfeln im Westen. Wolkenschlieren über dem Pass ließen ihre Umrisse verschwimmen.
Gibrax fühlte sich seltsam schutzlos, als er allein an der Bergflanke in der Abendsonne stand. Er zog die Schultern hoch und marschierte los. Auf dem Weg, den sie gekommen waren, erreichte er nach etwa einer Stunde eine schmale Stelle, wo der Pfad nicht mehr war als ein weniger steiler Abschnitt innerhalb eines trügerischen Geröllfeldes.
Gibrax blickte zu dem Grat empor, der über dem Weg aufragte. Findlinge schichteten sich dort, oder vielmehr die Überreste einer Kante, die allmählich zu kleinen und größeren Steinbrocken zerbröselte und deren Bruchstücke noch eine Weile aufeinander blieben, bevor Wind und Wetter ihren Stand unterhöhlten und sie das Geröllfeld hinab schickten.
Gibrax kletterte zu dem abgenagten Grat empor und bewegte sich so sicher auf dem trügerischen Grund, dass kaum ein Stein ins Rutschen geriet. Gebannt beobachtete er seine plumpen Füße, die wie zäher Teig zwischen den Kieseln zu haften schienen. Ja, das hier war vertrauter Boden. Als Troll war er für Steine und Berge gemacht, und ein Anflug von Heimweh schuf ein hohles Gefühl in seinem Bauch.
Vielleicht war es auch nur Hunger.
Er hielt kurz inne und strich sich über das schrundige Gesicht, in dem die Narben seiner Tortur noch immer nicht abgeheilt waren, die Narben, die Sonne und Hiebe in seinen versteinerten Leib geschlagen hatten. Dann schüttelte er das Gefühl ab und kletterte
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